Stimme

„Durchhaltevermögen, Ehrgeiz und fortschrittliches Denken“

Nadine Hildebrand, Athletenvertreterin im Deutschen Leichtathletik-Verband, berichtet über die Herausforderungen, die das Amt mit sich bringt und die Wahlverdrossenheit der Sportler*innen.

Erzähl doch zum Einstieg mal kurz, wer du bist.
Ich bin Nadine Hildebrand, ehemalige Hürdensprinterin und seit 2018 Athletensprecherin im Leichtathletik Verband. Im Februar 2020 habe ich meine zweite Amtszeit begonnen und bin jetzt noch bis Februar 2022 im Amt. Dann kann ich nicht mehr wiedergewählt werden.
Ansonsten habe ich Jura studiert und arbeite als Rechtsanwältin.

Gibt es Dinge aus deinem Berufsleben, die dir auch als Athletensprecherin helfen?
Definitiv! Ich kann zum Beispiel gut Regelwerke lesen und verstehen. Das macht den Job häufig leichter. Als Athletenvertreterin sitzt man im DLV in diversen Gremien, unter anderem im Präsidium und im Bundesausschuss Leistungssport.
Ich entscheide so wichtige Themen wie die Nominierungsrichtlinien, die Kaderbildung und Leistungsanforderungen mit und vertrete in diesen Runden die Athlet*innen.

Welche Herausforderungen bringt das mit sich?
In diesen Regelwerken steht wahnsinnig viel drin – und nur die Hälfte versteht man. Ich bin dann die, die hundertmal nachfragt, bis ich wirklich alles nachvollziehen kann. Ich muss sagen: Ich habe den Aufwand am Anfang unterschätzt, den dieses Amt mit sich bringt.

Hättest du das neben dem Studium/Job und der aktiven Sportlerinnen-Karriere geschafft?
Ich bin ehrlich gesagt sehr froh, dass es da bei mir kaum Überschneidung gab. Das hätte ich nicht alles stemmen können. Außerdem gibt es die Problematik, dass häufig Sitzungen bei Sportveranstaltungen wie den Deutschen Meisterschaften stattfinden. Bei diesen Terminen kann man als aktive Athletin natürlich nicht teilnehmen.

Wie kam es eigentlich zu der Entscheidung, Athletenvertreterin für den DLV zu werden?
Eigentlich war das gar nicht so geplant (lacht). Ich wollte nur Stellvertreterin werden. Und dann wurde ich plötzlich gewählt. Vorher wurde ich mehrfach von Leuten angesprochen, die meinten, dass ich das doch mal ausprobieren sollte.

Durch die Coronakrise sehen sich Athlet*innen ganz neuen Herausforderungen gegenüber. Welche nimmst du hier besonders wahr?
Das sind einige. Die meisten Fragen gehen in die Richtung: Darf ich aktuell trainieren oder nicht? Da kann ich dann immer nur die entsprechende Verordnung des jeweiligen Bundeslands raussuchen und darauf verweisen.

Welche besonderen Herausforderungen bringt das für dich als Athletensprecherin mit sich?
Bei mir gibt es tatsächlich die Problematik, dass der DLV ja ein sehr großer Verband ist. Ich kann also nicht alle 500 Athlet*innen zu ihren Sorgen und Problemen befragen. Das würde ich gar nicht schaffen. Außerdem sind die Disziplinen so unterschiedlich. Was für die Werfer*innen gut ist, passt den Läufer*innen gar nicht und umgekehrt. Da muss man dann immer abwägen.

Der DLV ist ja ein ziemlich großer Verband – wie bringst du die Interessen aller Athlet*innen unter einen Hut?
Das ist gar nicht einfach. Ich kenne einfach nicht alle Sportler*innen persönlich. Das fluktuiert ja auch. Und viele kennen mich nicht oder wissen zumindest nicht, was ich als Athletenvertreterin für sie tun kann. Das ist schade. Für die Sportler*innen ist das so ein mächtiges Instrument.
Ein weiteres Thema, das mich echt schockiert hat, ist die geringe Wahlbeteiligung. Bei meiner ersten Wahl zur Athletenvertreterin haben wir gerade einmal die nötigen 20 Prozent erreicht, damit die Wahl gültig war. Im letzten Jahr habe ich alle DLV-Athlet*innen auf Instagram angeschrieben. Ich meinte zu ihnen „Es ist egal, wen ihr wählt, hauptsache ihr nutzt das überhaupt!“ Und siehe da: Die Wahlbeteiligung lag zumindest bei 40 Prozent.

Das Ende deiner Zeit als Athletenvertreterin ist in Sicht. Planst du soetwas wie eine Amtsübergabe?
Das fände ich schön. Leider ist es nicht möglich, dass man sich schon vorher die Arbeit teilt, da in den Gremien immer nur Platz für eine/n Athletensprecher*in ist. Aber ich habe schon ein paar Sportler*innen im Kopf, die ich mir gut als Nachfolger*in vorstellen könnte.

Zum Abschluss: In drei Worten: Welche Motivation sollte man haben, um ein guter Athletenvertreter*in zu werden?
Man sollte Durchhaltevermögen und einen gewissen Ehrgeiz haben und sich nicht scheuen, fortschrittlich zu denken.

Willst du noch etwas loswerden?
Tatsächlich ja: Ich wünsche mir, dass alle im DLV mich kennen und ich tatsächlich helfen kann. Sprecht mich an, wenn ihr Wünsche oder Probleme habt!