Positionspapier zur Wiederaufnahme des Wettkampfbetriebs
Berlin, 6. Mai 2020. In Anbetracht der Diskussion zur Wiederaufnahme des Spielbetriebs in der Fußball Bundesliga (Mittwoch, 06.05.20) und der zur erwartenden Wiederaufnahme des Wettkampfbetriebs in anderen Sportarten hat Athleten Deutschland folgende Prinzipien zur Wiederaufnahme des Sportbetriebs erarbeitet.
Vorbemerkungen
Im Zuge der Lockerungen der Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie wird die Wiederaufnahme des Wettkampfbetriebs im Spitzensport intensiv diskutiert. Die Debatte hat Ligen, Verbände und andere Sportveranstalter mit zahlreichen Fragestellungen konfrontiert, die weit über die ordnungsgemäße Einhaltung von Hygiene-Standards hinausgehen. Die Entscheidung, ob die Wiederaufnahme des Wettkampfbetriebs in einer Sportart medizinisch, rechtlich und insbesondere auch gesellschaftlich vertretbar ist, setzt eine angemessene Auseinandersetzung mit diesen Fragestellungen seitens des jeweiligen Ausrichters voraus.
Dieses Positionspapier stellt jene Aspekte der Debatte heraus, die für die Mitglieder von Athleten Deutschland am wichtigsten sind. Athleten Deutschland fordert die ausrichtenden Organisationen dazu auf, die folgenden Prinzipien – soweit noch nicht geschehen – in ihre Planungen zur Wiederaufnahme oder Neuausrichtung von Wettbewerben zu integrieren. Wir bitten außerdem die Entscheidungsträger*innen der Politik, diese Prinzipien in die Bewertungen, der ihnen durch den Sport vorgelegten Konzepte, einfließen zu lassen.
Prinzipien zur Wiederaufnahme des Wettkampfbetriebs
1. Vorbildrolle des Spitzensports
Der Spitzensport in Deutschland nimmt in der Gesellschaft eine Vorbildrolle ein. Jede Wiederaufnahme eines Wettkampfbetriebs oder die Ausrichtung eines neuen Wettbewerbs müssen unter diesem Aspekt beleuchtet werden. Die zentrale Frage lautet: Wird die jeweilige Sportart durch die Durchführung von Wettkämpfen in der aktuellen Situation ihrer Vorbildrolle weiterhin gerecht?
2. Allgemeiner Gesundheitsschutz
Jeder geplante Wettbewerb muss der Prämisse des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung unterliegen. Es muss ausgeschlossen sein, dass ein Wettkampf zur Verbreitung der Pandemie beiträgt. Ebenso dürfen keine Ressourcen beansprucht werden, die an anderer Stelle zur Bekämpfung von COVID-19 benötigt werden.
3. Gesundheitsschutz der Athlet*innen
a) Minimierung des Infektionsrisikos
Jedes Konzept zur Durchführung eines Wettkampfs muss die Infektionsrisiken für die Athlet*innen minimieren. Dazu zählen, neben den Sicherheitsvorkehrungen an Wettkampf- und Trainingsorten, auch Bestimmungen für die Reisen, die Unterbringung und das häusliche Umfeld der Athlet*innen. Jedes Konzept muss eine kontinuierliche Anpassung an die neuesten medizinischen Erkenntnisse beinhalten sowie die entsprechende Schulung des verantwortlichen medizinischen und sportlichen Personals. Ebenso ist eine fortlaufende Aufklärung der Athlet*innen zu gewährleisten.
b) Aufrechterhaltung medizinischer Standards
Zum Gesundheitsschutz gehört auch die Aufrechterhaltung geltender medizinischen Standards in der jeweiligen Sportart. Athlet*innen mit akuten Verletzungen müssen, trotz etwaiger durch die Corona-Pandemie bedingter Einschränkungen, eine adäquate Behandlung bekommen können. Sollte der Ausrichter die Aufrechterhaltung der Standards nicht gewährleisten können, müssen die Athlet*innen vor ihrer Einwilligung zur Teilnahme umfassend über die Minderungen aufgeklärt werden.
c) Vermeidung von Überbelastung
Die Wiederaufnahme eines Wettkampfbetriebs darf nicht zu einer Überbelastung der Athlet*innen und somit zur Erhöhung des Verletzungsrisikos führen. Eine Ballung nachzuholender Wettbewerbe muss unter sportmedizinischen Gesichtspunkten streng reglementiert werden. Hier gilt es insbesondere zu beachten, dass momentan noch ungeklärt ist, ob eine etwaige Überbelastung eine COVID-19 Infektion begünstigen beziehungsweise den Verlauf einer Infektion negativ beeinflussen kann.
4. Mentale Gesundheit und Wohlbefinden
Wie innerhalb der Allgemeinbevölkerung haben die Auswirkungen der Pandemie auch bei den Athlet*innen große Unsicherheiten hervorgerufen. Diese betreffen in vielen Fällen nicht nur die weitere Ausübung ihres Sports, sondern übergeordnet die gesamte Lebensplanung der Athlet*innen. Ein ganzheitliches Konzept zur Wiederaufnahme des Wettkampfbetriebs sollte deshalb auch ausreichende und leicht zugängliche Angebote zur Erhaltung und Stärkung der mentalen Gesundheit und des Wohlbefindens beinhalten. Die Athlet*innen sind über den Sinn und die Ausgestaltung dieser Angebote umfassend zu informieren.
5. Experten- und Stakeholderbeteiligung
Jedes Konzept zur Durchführung eines Wettkampfs muss von Medizinern und gemeinsam mit allen Betroffenengruppen erarbeitet und verabschiedet werden. Grundlage des Konzepts müssen die jeweils aktuellen Empfehlungen des Robert-Koch Instituts sein. Wenn mehr als 50% der Athlet*innen eine Durchführung des Wettkampfs ablehnen, muss von der Ausrichtung abgesehen werden. Eine entsprechende Umfrage ist vom Ausrichter auf Wunsch der Athlet*innen durchzuführen.
6. Freiwilligkeit
Für alle Athlet*innen, auch jenen mit Profi-Verträgen, muss Freiwilligkeit für die Teilnahme an Trainingsmaßnahmen und etwaigen Wettkämpfen gelten. Eine Nicht-Teilnahme darf in keiner Weise sanktioniert werden oder nachträglich Einfluss auf den Kaderstatus der Athlet*innen nehmen. Diese Freiwilligkeit muss vom Leistungssportpersonal der ausrichtenden Organisation zusammen mit verständlichen Ausführungen zu den bestehenden Risiken schriftlich und mündlich kommuniziert werden. Diese Ausführungen müssen auch die Klärung versicherungsrechtlicher Sachverhalte umfassen, wie zum Beispiel die Frage, ob die bestehenden Versicherungen der Athlet*innen mögliche langfristige Auswirkungen einer COVID-19 Infektion abdecken.
7. Kapazität
Jedes Konzept muss verbindlich nachweisen können, dass ausreichend Kapazitäten für eine konsequente Umsetzung bestehen.
8. Transparenz
Ausrichtende Organisationen müssen sich verpflichten, transparent über die Umsetzung ihrer Konzepte zu berichten. Nur durch eine umfängliche und nachvollziehbare Berichterstattung können die Tragfähigkeit der Konzepte evaluiert und Best-Practice Beispiele identifiziert werden. Eine solches Vorgehen würde außerdem das Vertrauen der Bevölkerung in das Verantwortungsbewusstsein des Spitzensports signifikant erhöhen.