Gewalt und Missbrauch, Pressemitteilung

Statement zu den Vorwürfen deutscher Turnerinnen 

Die Schilderungen von gravierenden Missständen im deutschen Turnsport haben uns tief erschüttert. Wir fühlen mit den Turnerinnen, die in den vergangenen Tagen – wie schon ihre Kolleginnen vor wenigen Jahren in Chemnitz – großen Mut bewiesen und ihre erschreckenden Erfahrungen öffentlich gemacht haben. Allerdings dürften die Vorwürfe Kenner des Turnsports und der Safe-Sport-Debatte nicht unbedingt überraschen. Der Weg zum angestrebten Kultur- und Strukturwandel im Sport ist noch lang. Die Vorwürfe unterstreichen einmal mehr, wie dringend das unabhängige Zentrum für Safe Sport gebraucht wird und verdeutlichen, dass die Umsetzung des kürzlich verabschiedeten Safe Sport Codes nun zügig, insbesondere auch im Spitzensport, voranzutreiben ist. 

Zügige Aufklärung und Aufarbeitung  

Wir erkennen an, dass der Deutsche Turner-Bund (DTB) und der Schwäbische Turner Bund (STB) eine Untersuchung der Vorwürfe mit externer Unterstützung einleiten und Sofortmaßnahmen ergreifen werden. Angesichts der zahlreichen Anschuldigungen muss jetzt zügig aufgeklärt und aufgearbeitet werden – auch um fortwährendes Fehlverhalten und damit potenziell andauerndes Leid weiterer Athletinnen zu verhindern. Der DTB hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Vorreiter für sicheren und gewaltfreien Sport in der deutschen Verbandslandschaft entwickelt (s. hier und hier). Aus diesem Grund sind wir zuversichtlich, dass sich der DTB und seine Landesfachverbände weiterhin konsequent ihrer Verantwortung stellen, Fehlverhalten untersuchen und defizitäre Strukturen identifizieren. 

Rechte der Betroffenen achten  

Der Aufarbeitungsprozess sollte sich an den Empfehlungen der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs und der dsj orientieren. Die Durchführung muss unabhängig, transparent und betroffenensensibel erfolgen und die Rechte der Betroffenen achten. Ihrer individuellen Belastung, die mit einer Aufarbeitung einhergeht, muss Rechnung getragen werden.  Aufrufe an Betroffene sollten breit und sichtbar kommuniziert werden, sowie die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme mit unabhängigen Anlaufstellen beinhalten. Unsere Beratungsstelle Anlauf gegen Gewalt steht bereit, diese Funktion, auch im Zuge eines kommenden Aufarbeitungsprozesses im Turnen, einzunehmen.  

Informationen für Betroffene und Ratsuchende 

Die unabhängige Anlaufstelle Anlauf gegen Gewalt ist eine Initiative von Athleten Deutschland für Leistungssportler*innen, die psychische, physische und/oder sexualisierte Gewalt erfahren oder in Vergangenheit erfuhren. Die Anlaufstelle ist telefonisch unter 0800 90 90 444 (montags, mittwochs und freitags von 9:00 bis 13:00 Uhr, dienstags und donnerstags von 16:00 bis 20:00 Uhr) oder per E-Mail unter kontakt@anlauf-gegen-gewalt.org erreichbar. Neben telefonischer und/oder schriftlicher Beratung bietet Anlauf gegen Gewalt bei Bedarf auch psychotherapeutische und/oder rechtliche Erstberatung an. Der Erstkontakt ist selbstverständlich auch anonym möglich. Betroffenen steht zudem die Möglichkeit offen, von unseren Expertinnen längerfristig und weitergehend begleitet und unterstützt zu werden.