Stellungnahme zur ARD-Dokumentation „Geheimsache Doping – SCHULDIG. Wie Sportler ungewollt zu Dopern werden können“
Berlin, 19. Juli 2021. Die Beweislastumkehr ist zentraler und wichtiger Bestandteil eines effektiven Kampfs gegen Doping. Der Film und das Experiment der ARD-Dopingredaktion und des Instituts für Rechtsmedizin der Uniklinik Köln haben eindrucksvoll verdeutlicht, welche negativen Auswirkungen dieses Prinzip auf Athlet*innen haben kann, die unverschuldet einen positiven Dopingbefund haben. Es konnte nun experimentell gezeigt werden, wie unbemerkt und effektiv Dopinganschläge verübt werden können. Positive Dopingbefunde wurden bereits nach kurzer Zeit sowie über einen längeren Zeitraum in einer Vielzahl der Fälle nachgewiesen.
Unbemerkte Dopinganschläge machen es für betroffene Athlet*innen nahezu unmöglich, ihre Unschuld zu beweisen. Zerstörte Karrieren, immenses psychisches Leid und irreparabler Schaden der persönlichen Reputation können die Folgen sein.
Es gibt zweifelsfrei gute und wichtige Gründe für die Beweislastumkehr, um den Anti-Doping-Kampf möglichst effektiv zu gestalten. Gleichzeitig müssen wir uns darüber bewusst sein, dass dieses Prinzip zu Unrecht beschuldigte Athlet*innen als Kollateralschäden in Kauf nimmt. Die Erkenntnisse des Films verdeutlichen auf krasse Weise, dass die Regeln des Anti-Dopingkampfs in Konflikt mit der menschenrechtlich verbrieften Unschuldsvermutung stehen. Bereits seit Längerem fordern wir mit anderen Athletengruppen, dass der WADA-Code einer menschenrechtlichen Folgeabschätzung unterzogen werden muss.
Dass eine Debatte zur Beweislastumkehr im Anti-Dopingkampf notwendig ist, bleibt nach den jüngsten Enthüllungen ohne Frage. Sie sollte sachlich und nuanciert geführt werden. Schlussendlich muss geklärt werden, ob und welche Anpassungen es im Anti-Dopingkampf geben könnte, um die fundamentalen Rechte von Athlet*innen zu wahren und gleichzeitig die Effektivität des Anti-Dopingkampfs nicht zu gefährden. Wir begrüßen die Ankündigung der NADA, die Ergebnisse des Experiments im Ergebnismanagement und in Disziplinarverfahren zu berücksichtigen und die Analytik stärker auf die unverschuldete Aufnahme von Substanzen zu fokussieren. Wir schließen uns der NADA in ihrer Forderung nach einer umgehenden und angemessenen Reaktion der WADA als zentraler Regelgeberin an.
Für Athlet*innen muss es zukünftig leichter gemacht werden, ihre Unschuld zu beweisen. So könnten sie etwa verstärkt Hilfe beim Unschuldsnachweis und bei der Prozesskostenfinanzierung erhalten. Wer unschuldig ist, sollte Wiedergutmachung für den zugefügten Schaden und das erlittene Leid erfahren. Außerdem gilt es weiterhin, die investigativen und analytischen Kapazitäten der Anti-Doping Organisationen zu stärken.