
Warum wir uns engagieren
Der Weg zu gleichen Verwirklichungschancen im deutschen Spitzensport ist aktuell noch weit. Sportlerinnen sehen sich im Laufe ihrer Karriere mit vielfältigen Formen struktureller Benachteiligung und geschlechtsspezifischer Diskriminierung konfrontiert – etwa in Bezug auf Schutz, Sichtbarkeit, Betreuung, Trainingsgestaltung oder Vereinbarkeit von Karriere und Familie. Der Anteil der Berichterstattung über Frauensport liegt laut Studien bei lediglich 10–15 %. Eine Analyse der deutschen Hauptnachrichtensendungen (2018) ergab, dass bis zu 100 % der Sportmeldungen dem Männersport galten. Bildsprache und Formulierungen verstärken diese Ungleichbehandlung zusätzlich und zementieren den Männersport als „Norm“.
Viele Sportlerinnen sehen große bis unüberbrückbare Herausforderungen bei der Verbindung von Kinderwunsch und sportlicher Karriere. Es bestehen erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich des Kaderstatus und der finanziellen Absicherung im Falle von Schwangerschaft oder Mutterschaft. Zyklusbedingte Leistungsunterschiede finden in der Trainingsplanung zu selten Berücksichtigung. Noch zu wenige Athletinnen arbeiten mit Trainer*innen, die über entsprechendes Wissen oder Bewusstsein verfügen. Auch die sportwissenschaftliche Forschung mit Probandinnen ist nach wie vor unterrepräsentiert.
Was wir bisher gemacht haben / Wie wir uns einbringen
Seit 2020 ist Gleichstellung zentrales Querschnittsthema unserer Arbeit. Mit dem Projekt „Athletinnen D“ haben wir strukturelle Diskriminierungserfahrungen von Sportlerinnen im Spitzensport sichtbar gemacht. Auf Basis qualitativer Interviews, Expert*innenbefragungen und umfangreicher Recherchen formulierten wir 2021 Gleichstellungsziele in vier zentralen Handlungsfeldern: Schutz vor Gewalt, mediale Sichtbarkeit, Vereinbarkeit von Spitzensport und Familienplanung sowie geschlechtsspezifisches Training und sportmedizinische Betreuung. Diese Ziele brachten wir im Mai 2021 in eine erste Anhörung im Sportausschuss des Deutschen Bundestages ein. Seither engagieren wir uns kontinuierlich, u. a. durch Gespräche mit DOSB und DBS, in relevanten Aushandlungsformaten sowie mit eigenen Stellungnahmen – zuletzt im März 2024 mit einem umfassenden Arbeitsplan „Gleichstellung“ als Teil einer ganzheitlichen „Nationalen Spitzensportstrategie für Deutschland“.
Mutterschutz und Individualförderung
Wir setzen uns für verbindliche strukturelle Maßnahmen ein: von Mutterschutzregelungen über Individualförderung bis zur Schließung der Gender Data Gap. Im Rahmen der Spitzensportreform konnten wir u. a. die Pilotierung eines Individualbudgets als Antwort auf biografische Lebensrealitäten anstoßen. Unsere Impulse flossen auch in die Menschenrechts-Policy des DOSB und in die BISp-Strategie „Frauen und Mädchen im Sport“ ein. Mit dem Podcast „Blut, Schweiß und Training“ – in Kooperation mit dem IAT – leisten wir Aufklärungsarbeit zu Zyklus, RED-S und Frauengesundheit im Leistungssport. Unsere Impulse flossen auch in die Menschenrechts-Policy des DOSB, in die BISp-Strategie „Frauen und Mädchen im Sport“ sowie in das Projekt „FeMaLe“.
Was noch getan werden muss
Gleichstellung darf nicht von einzelnen Personen, Projekten oder Zufällen abhängen – sie muss strukturell verankert werden. Wir plädieren für die Entwicklung einer bislang fehlenden „Nationalen Spitzensportstrategie für Deutschland“, in der Gleichstellung als ein zentrales Ziel benannt wird. Als explizites Ziel der deutschen Spitzensportförderung – wäre jeder Aspekt der Förderstrategie auf sinnvolle Gleichstellungserfordernisse zu prüfen und mit entsprechenden Maßnahmen zu untersetzen. Diese können von Schutz- und Absicherungsmaßnahmen für Athletinnen über die individualisierte Ausgestaltung des Trainingsalltags, der Umfeldbedingungen und der Förderbiografie bis hin zur systematischen Schließung der Gender Data Gap in der Wissenschaft oder der gezielten (medialen) Sichtbar- und Erfahrbarmachung des Frauensports reichen. Folgende Maßnahmen sollten dabei prioritär angegangen werden:
Mutterschutz durch Einführung eines Sonderkaders und Fortführung der Basisförderung bei Schwangerschaft
Einführung eines Individualbudgets zur Unterstützung individueller Betreuungs- und Lebensrealitäten
Verpflichtende und messbare Qualifizierungsmaßnahmen, u.a. zu geschlechtsspezifischem Training, für Leistungssportpersonal und Trainer*innen
Systematische Forschungsförderung zur Schließung der Gender Data Gap
Gezielte (mediale) Sichtbar- und Erfahrbarmachung des Frauensports durch die Bewerbung um sowie die Ausrichtung von Sportgroßveranstaltungen in Deutschland