
Warum wir uns engagieren
Gewalt im Sport ist kein individuelles Fehlverhalten, sondern Ausdruck struktureller und kultureller Risikofaktoren. Machtgefälle, Abhängigkeiten, übersteigerte Erfolgsorientierung, unklare Grenzen – all das schafft ein Umfeld, in dem Gewalt entstehen, vertuscht und fortwirken kann. Die Realität ist ernüchternd: Gewalt ist im organisierten Sport kein Randphänomen, sondern eine systemische Herausforderung. Die Zahlen sprechen für sich: Laut der Safe Sport-Studie (2016) haben
37 % der befragten Kaderathletinnen sexualisierte Gewalt im Sport erlebt,
87 % psychische Gewalt,
29 % körperliche Gewalt.
Besonders alarmierend: 12 % berichteten von schweren Formen sexualisierter Gewalt wie Missbrauch oder Vergewaltigung. Frauen, queere Personen und junge Athletinnen sind besonders gefährdet.
Immer noch sprechen viele Betroffene sprechen nicht oder erst sehr spät über ihre Erfahrungen – aus Angst vor Konsequenzen oder weil ihnen Vertrauen in bestehende Strukturen fehlt. Wenn sie sich äußern, bleibt Unterstützung leider noch zu häufig aus. Vereine und Verbände reagieren unterschiedlich: teils engagiert und kompetent, teils überfordert oder gar ablehnend. Verfahren zur professionellen, betroffenen-sensiblen Intervention und Aufarbeitung sind bislang nicht flächendeckend etabliert oder unabhängig organisiert. Dabei sollte die Unterstützung von Betroffenen und die Qualität von Verfahren nicht von Wohnort oder Sportart abhängen. Zwar hat der organisierte Sport bei der Prävention wichtige Fortschritte erzielt, doch es braucht immer noch verbindliche Standards für Risikoanalysen und Schutzkonzepte sowie eine Überprüfung von deren Umsetzung. Das gefährdet nicht nur die Gesundheit der Athlet*innen – sondern auch die Glaubwürdigkeit des gesamten Sports.
Was wir bisher gemacht haben
Im Herbst 2020 war für uns klar: Der Sport braucht einen grundlegenden Kurswechsel. Nach der Anhörung der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs wurde Athleten Deutschland zu einem zentrale*n Akteur im Kampf gegen Gewalt im Sport. Mit unserem Impulspapier für ein unabhängiges Zentrum für Safe Sport legten wir im Februar 2021 konkrete Vorschläge vor – und stießen damit auf breite Zustimmung bei Betroffenen, in der Politik und unter Fachleuten. Unsere Forderung: Eine unabhängige Institution mit klaren Befugnissen – für Prävention, Intervention und Aufarbeitung. Das Zentrum soll verbindliche Standards setzen, sichere Meldestrukturen schaffen, Betroffene unterstützen und Verbände zum Handeln verpflichten. Es soll Meldungen unabhängig untersuchen und auf Basis eines Safe Sport Codes Sanktionen verbindlich aussprechen können. Grundlage unserer Forderungen sind die Erfahrungen aus unserer täglichen Arbeit mit Gewaltfällen – und internationale Entwicklungen, z. B. in Kanada, den USA oder Australien. Unsere Vorschläge zeigten Wirkung:
Noch 2021 bekannte sich die neue Bundesregierung im Koalitionsvertrag zum Aufbau eines Zentrums für Safe Sport.
Das Bundesinnenministerium beauftragte eine Machbarkeitsstudie, die 2022 den Bedarf bestätigte.
Wir richteten eine eigene Anlaufstelle ein: „Anlauf gegen Gewalt“ – offen für alle Kaderathlet*innen und solche, die es werden wollen.
2023 folgten weitere Schritte: Mit dem Safe Sport e.V. wurde eine zweite vom Sport unabhängige Anlaufstelle auch für den Breitensport eröffnet und unter Leitung der Bundesregierung entstand eine Roadmap für das Zentrum – in weiten Teilen deckungsgleich mit unseren Forderungen.
Gemeinsam mit dem DOSB legten wir ein weitreichendes Rechtsgutachten zum Zentrum vor, das erstmal einen Vorschlag für einen Safe Sport Code enthielt.
Im Dezember 2024 verabschiedeten der DOSB und seine Mitgliedsorganisationen einen Safe Sport Code in Eigenregie
Was noch getan werden muss
Die Verabschiedung des Safe Sport Code war ein wichtiger Schritt, der aber bei weitem nicht ausreicht. Für einen wirksamen Umgang mit dem erlittenen Unrecht Betroffener müssen Verfahrensweisen harmonisiert und das System zwingend um unabhängige Schutzmechanismen ergänzt werden. Das Zentrum für Safe Sport nimmt dabei eine unverzichtbare Rolle ein. Die Bundesregierung sollte deshalb unverzüglich an die Vorarbeiten der letzten Legislatur anknüpfen und den Aufbau des Zentrums entschlossen vorantreiben. Damit das Zentrum seine avisierten Aufgaben wirksam wahrnehmen kann, halten wir folgende Gelingensbedingungen für zentral:
Die Ausstattung des Zentrums mit auskömmlichen finanziellen und personellen Ressourcen, damit es den hohen Erwartungen von Betroffenen und Sportorganisationen von Beginn an gerecht werden kann.
Die zeitnahe Ausgestaltung eines sinnvollen Zuständigkeitssystems aus sportinternen Kapazitäten und dem Zentrum.
Für Spitzenverbände sollte die Übertragung der Zuständigkeiten bei Intervention, Sanktionierung und Aufarbeitung zur Fördervoraussetzung des Bundes werden.
Die Einführung bereichsspezifischer Datenschutzregelungen nach dem Vorbild des Anti-Doping-Gesetzes, damit die Daten im Safe-Sport-Kontext rechtssicher verarbeitet werden können.
