Athleten Deutschland bekräftigt Forderungen nach Komplettausschluss Russlands und Belarus, solange der Angriffskrieg anhält
Berlin, 28. März 2023. Im Zuge der heutigen Beratungen des IOC-Exekutivkomitees zur möglichen Rückkehr Russlands und Belarus in den Weltsport bekräftigt Athleten Deutschland seine Position: Solange der Angriffskrieg anhält, halten wir einen Komplettausschluss Russlands und Belarus für geboten. Im Zuge eines sogenannten Global Calls des IOC mit Athletenvertretungen aus aller Welt vergangene Woche unterstrich Léa Krüger, Säbelfechterin, diese Haltung erneut.
Der Ausschluss muss für Verbände, Funktionäre, und leider auch für Athlet*innen gelten. Der Weltsport muss seine Unterwanderung durch russischen Einfluss systematisch und unabhängig aufarbeiten lassen. Detaillierte Begründungen sind unseren Positionen vom Februar 2022 und Januar 2023 zu entnehmen.
Wir vermissen international eine differenzierte Abwägung der Rechte und Schutzbedürfnisse von ukrainischen Athlet*innen auf der einen und russischen Athlet*innen auf der anderen Seite. Einen äußerst gewichtigen Beitrag hat das vom DOSB in Auftrag gegebene Gutachten geleistet. Demnach sei ein kollektiver Ausschluss der russischen Athleten zulässig und trotz Ungleichbehandlung nicht als Verstoß internationaler Diskriminierungsverbote zu bewerten. Wir begrüßen, dass der DOSB sich der Frage der Wiedereingliederung der russischen und belarussischen Athlet*innen mit der gebotenen Sorgfalt gewidmet hat – auch im Austausch mit Athletenvertreter*innen.
Wir fordern das IOC auf, die Empfehlungen zum Ausschluss Russlands im Weltsport aufrecht zu erhalten und deren Umsetzung durch die Weltverbände mit Vehemenz einzufordern. Das IOC muss sich eingehend mit dem Gutachten von Prof. Patricia Wiater befassen und Stellung beziehen. Eine derart eingehende menschenrechtliche Bewertung können wir in der Stellungnahme der UN-Sonderberichterstatterinnen an das IOC hingegen schwerlich erkennen.
Aus unserer Sicht sind Meinungsumfragen, wie zuletzt öfter vom IOC bemüht, kaum geeignet, um über die Rechte und Schutzbedürfnisse der ukrainischen Athlet*innen zu befinden und die Frage nach der Zulässigkeit kollektiver Ausschlüsse zu beantworten. Wir erwarten ein unmissverständliches Bekenntnis der Verbände und vom IOC, dass Anti-Kriegs-Proteste und Solidaritätsbekundungen für die Ukraine bei internationalen Wettkämpfen unterstützt und geschützt werden.
Die Haltung Deutschlands gilt es nun proaktiv und geschlossen – mit gleichgesinnten Verbündeten – in den Weltsport zu tragen. Hierzu gab es in den vergangenen Tagen mehrere Positivbeispiele aus der deutschen Verbandslandschaft. Insbesondere die Vertreter*innen deutscher Verbände bei internationalen Abstimmungen und in internationalen Gremien sind in die Pflicht zu nehmen.
Thomas Weikert hat deutlich gemacht, dass der Fokus des DOSB nun den Athlet*innen gelte und dass er die von den Athletenvertreter*innen geäußerten Sorgen ernst nehme. Dieser Ankündigung müssen nun Taten folgen. Die deutschen Verbände, auch der DOSB, müssen sich bei Bedarf schützend vor die Athlet*innen stellen.
Wir sind äußerst besorgt, dass Verbände ihrer Verantwortung nicht nachkommen oder diese beispielsweise zwischen IOC und Weltverbänden hin und her geschoben wird. Die Leidtragenden wären – wie so oft – die Athlet*innen. Sie werden dann individuell entscheiden müssen, ob sie an Wettkämpfen mit russischer und belarussischer Beteiligung teilnehmen, dabei selbst Sanktionen riskieren, ihre Qualifikationschancen für die Spiele, Sportförderung und gar ihre künftige Kaderzugehörigkeit aufs Spiel setzen.
Die jüngsten Geschehnisse im nationalen und internationalen Fechtsport sollten ein alarmierendes Negativbeispiel bleiben. Die Ignoranz des Weltverbands hat absehbar dazu geführt, dass die Opfer des Angriffskrieges zum Rückzug genötigt werden, während der Aggressor auf dem Rückweg auf die Bühne des Weltsports hofiert wird. Dadurch sind Rechteverletzungen und Schutzbedürfnisse der ukrainischen Athlet*innen in den Hintergrund getreten. Athlet*innen werden allein gelassen. Es herrscht Chaos. Gern unterstützen wir deshalb den offenen Brief von über 300 Fechter*innen an die FIE und an das IOC.
Aus unserer Sicht muss der Sport endlich Antworten zum Umgang mit Staaten finden, die den oft bemühten Wertekanon des Sports gravierend verletzen, den Sport gezielt als politisches Instrument benutzen sowie Völker- und Menschenrecht brechen. Kann ein Staat, der einen Angriffskrieg gegen eine andere Nation führt, Teil der Olympischen Bewegung sein, die sich für Frieden einsetzt? Leider können wir diese überfällige und ehrliche Auseinandersetzung mit roten Linien nicht erkennen, weder national noch international.