Befassung des Sportausschusses mit chinesischem Dopingverdachtsfall: Unabhängige Aufarbeitung umsetzen und Reformen folgen lassen
Berlin, 12. Juni 2024. Der Sportausschuss des Deutschen Bundestages befasste sich am heutigen Mittwoch mit dem chinesischen Dopingverdachtsfall im Schwimmen. Athleten Deutschland durfte sich in den Kreis der geladenen Sachverständigen einreihen. Die eingereichte Stellungnahme veröffentlichen wir hier.
Für Athleten Deutschland nahmen die Fechterin Léa Krüger, Präsidiumsmitglied von Athleten Deutschland, sowie Wasserballer Kevin Götz, Athletenvertreter im Schwimmsport, teil. Dabei schilderten die beiden, warum der Kampf gegen Doping von zentraler Bedeutung ist, weshalb die WADA kein weiteres Vertrauen verlieren darf und welche Maßnahmen nun notwendig sind.
Weder IOC noch WADA selbst scheinen die Notwendigkeit für schonungslos ehrliche und ergebnisoffene Aufarbeitung sowie nachgeschaltete Reformprozesse zu erkennen. Die Stimmen der Athlet*innen und der nationalen Anti-Doping-Organisationen finden bis heute unzureichend Eingang in Aufsichtsfunktionen und Entscheidungsprozesse der WADA. Umso wichtiger scheint es, dass die Staaten, die den Jahresetat der WADA hälftig finanzieren, die ihnen zur Verfügung stehenden Hebel nutzen, um nötige Reformen zu erwirken.
Wir sind für die klare und zügige Positionierung der deutschen Sportpolitik und der Bundesregierung in dieser Sache dankbar. Wir wünschen uns, dass die Bundesregierung dieses Engagement fortsetzt. Deutschland trägt mit ca. 1,3 Millionen Euro pro Jahr nicht unerheblich zur Finanzierung der WADA bei und sollte – in Abstimmung mit seinen internationalen Partnern – klare Bedingungen an diese Finanzierung knüpfen, um Reformprozesse der WADA und des Anti-Doping-Kampfs zu initiieren.
Kevin Götz: „Fundamentale Gelingensbedingung für einen wirksamen Anti-Doping-Kampf ist Vertrauen. Wir Athletinnen und Athleten müssen uns der Integrität und Funktionsfähigkeit des globalen Anti-Doping-Systems gewiss sein. Ein Vertrauensverlust der Athletinnen und Athleten in die Grundpfeiler des globalen Anti-Doping-Kampfs und seiner Kontrollorganisationen bedeutet ein schwerwiegendes Risiko für einen sauberen, dopingfreien Sport.
Denn wir halten uns an die Regeln. Wir akzeptieren die Beweislastumkehr als tragende Säule des Anti-Doping-Kampfs. Wir nehmen aus Überzeugung für einen sauberen Sport selbstverständlich die Strapazen des Doping-Kontrollregimes auf uns.
Umgekehrt dürfen wir zurecht von der WADA und den Dopingkontrollorganisationen erwarten, dass weltweit gültige Anti-Doping-Regularien kohärent angewendet werden und diese Regeln für alle Athletinnen und Athleten in gleichem Maße gelten. Die WADA selbst muss regelkonform agieren, transparent handeln und strikt ihre Kontrollfunktionen, in diesem Fall gegenüber der CHINADA, wahrnehmen.“
Seit den Enthüllungen durch ARD und New York Times legt die WADA eine gefährliche „Wagenburg-Mentalität“ an den Tag, mit der sie sich zusehends ins Abseits stellt. Kurz vor den Spielen ist es wichtiger denn je, dass die WADA als glaubwürdige globale Anti-Doping-Instanz wahrgenommen wird, die über jeden Zweifel erhaben ist. Unabdingbar ist, dass die WADA ihre eigene Integrität durch regelkonformes, vorbildliches und transparentes Handeln wahrt und kontinuierlich absichert.
Léa Krüger: „Bis heute hält die WADA an ihren Einschätzungen fest und bleibt Antworten auf zentrale Fragen schuldig. Damit zeigt sie wenig Offenheit für Kritik und eine ergebnisoffene Aufarbeitung. Die WADA übernimmt unzureichend Verantwortung für eigenes Fehlverhalten und verweist stattdessen auf die CHINADA. Dieses Verhalten sorgt für Unsicherheit und Verwirrung bei Athletinnen und Athleten. Kurz vor den Olympischen Spielen ist es wichtiger denn je, dass die WADA als glaubwürdige globale Anti-Doping-Instanz wahrgenommen wird.
Sie hat nun die Pflicht, das massiv beschädigte Vertrauen durch integre und unabhängige Aufarbeitung zurückzugewinnen. Sie steht in der Verantwortung und Bringschuld gegenüber sauberen Athletinnen und Athleten, zügig und transparent Antworten auf die vielen offenen Fragen zu liefern. Aus unserer Sicht sollte die WADA den Untersuchungsbericht aus China sowie alle relevanten Dokumente, die im Zusammenhang mit der möglichen Vertuschung stehen, datenschutzkonform veröffentlichen.“
Das Mandat der von der WADA beauftragten externen Überprüfung sollte deutlich erweitert werden. Es geht nicht nur um mögliches Fehlverhalten der WADA, sondern auch um die Untersuchung der Dopingverdachtsfälle. Diese Untersuchung sollte von einem unabhängigen und mehrköpfigen Gremium durchgeführt werden.
Außerdem wünschen wir uns, dass Rückschlüsse zu einer einheitlichen Anwendung sowie Optimierung der Anti-Doping-Regularien und -Verfahren gezogen werden. So können das Vertrauen der sauberen Athlet*innen und die Arbeit der Dopingkontrollorganisationen gestärkt werden.
Weitergehende Positionspapiere von Athleten Deutschland zu WADA-Reformen:
- Stellungnahme zum chinesischen Dopingverdachtsfall (April 2024)
- Positionspapier von Athleten Deutschland mit weiteren Athletengruppen: „Athletengruppen fordern weitreichenden Wandel der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA)“ (Juli 2020)
- Positionspapier von Athleten Deutschland mit NADOs und Athletengruppen: „Athletengruppen und Vorsitzende Nationaler Anti-Doping-Organisationen (NADOs) schließen sich zusammen, um weitere Reformen der WADA einzufordern“ (November 2020)
- Stellungnahme von Athleten Deutschland mit weiteren Athletengruppen: „WADA weigert sich weiterhin, tiefgreifende Reformen umzusetzen“ (November 2021)