Reaktion auf die Empfehlungen zur Anpassung der Regel 50
Die Empfehlungen zur Anpassung der Regel 50 gehen am Kernproblem der pauschalen Einschränkung der Meinungsfreiheit vorbei. Aus Sicht von Athleten Deutschland sollten sich Athlet*innen jederzeit friedlich zu den Werten unserer freiheitlichen-demokratischen Gesellschaft bekennen können. Würde bei solchen Fällen die Sanktionspraxis in die Zuständigkeit des DOSB fallen, bitten wir von entsprechenden Sanktionen abzusehen. Falls nötig, wird Athleten Deutschland seinen Mitgliedern Rechtsbeistand zur Seite stellen.
Berlin, 22. April 2021. Nach der gestrigen Entscheidung des IOC zur Regel 50.2 bleibt unsere Haltung unverändert: Es sollte den Athlet*innen freigestellt sein, sich jederzeit friedlich zu den Werten unserer freiheitlichen-demokratischen Gesellschaft bekennen zu können. Friedlicher Protest muss möglich sein – auch in den Arenen. Wir respektieren, dass eine Mehrheit der durch das IOC befragten Athlet*innen zu einer anderen Auffassung kommt. Auch Athleten Deutschland ist davon überzeugt, dass die sportlichen Leistungen von Athlet*innen angemessen und möglichst ungestört gewürdigt werden sollten.
Davon unbenommen bleibt, dass Menschenrechte wie die Meinungsfreiheit universell gelten. Die Meinungsfreiheit ermöglicht Machtkritik und schützt dabei gerade die Haltungen von Minderheiten. Wir bezweifeln deshalb, ob ein Umfrageergebnis Grundlage für eine pauschale Einschränkung der Meinungsfreiheit sein kann. Ihre Einschränkung sollte nicht durch eine Abfrage ermöglicht und legitimiert werden.
Aus unserer Sicht gehen die gestern veröffentlichten Empfehlungen der IOC-Athletenkommission am Kernproblem der pauschalen und weitgehenden Einschränkung der Meinungsfreiheit bei Sportwettbewerben vorbei. Sie schlagen vor, freie Meinungsäußerung auf andere Orte und Gelegenheiten bei den Spielen zu verlagern. Die Empfehlungen beinhalten außerdem teils inhaltliche Vorgaben, die eine differenzierte Meinungsäußerung deutlich erschweren.
Dabei müsste eine Anpassung der Regel 50.2 der Olympischen Charta hinreichend spezifizierte, möglichst geringe und angemessen begründete Einschränkungen der Meinungsäußerungen von Athlet*innen beinhalten. Selbstverständlich kann und sollte die Meinungsfreiheit ihre Schranken in anderen Grund- und Menschenrechten finden; eine Verletzung der Ehre und Würde anderer durch Meinungsäußerungen etwa ist nicht hinnehmbar.
Wir begrüßen die Empfehlung der IOC-Athletenkommission, mehr Klarheit in die Sanktionspraxis nach einem Regelverstoß zu bringen. Wir regen an, einem Regelverstoß keine sportlichen Sanktionen folgen zu lassen. Zusätzlich bitten wir den DOSB, seine Rolle und mögliche Verantwortlichkeiten in der Sanktionspraxis von Regelverstößen zu prüfen. Bei entsprechender Zuständigkeit bitten wir darum, von Sanktionen gegen deutsche Athlet*innen abzusehen, die von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung friedlich und im Rahmen der Werte unserer freiheitlichen-demokratischen Gesellschaft Gebrauch machen.
Johannes Herber, Geschäftsführer von Athleten Deutschland: „Der Bericht verdeutlicht, dass das IOC dem Erhalt der „politischen Neutralität“ höheren Wert beimisst als den grundlegenden Rechten einzelner Athletinnen und Athleten. Als Organisation, die sich für eben diese Rechte einsetzt, fällt unsere Bewertung anders aus. Sollten deutsche Athletinnen und Athleten sich dazu entschließen, sich friedlich während der Olympischen Spiele für grundlegende Werte wie beispielsweise die Bekämpfung von Rassismus starkzumachen, können sie im Falle einer Sanktionierung auf den rechtlichen Beistand von Athleten Deutschland bauen.“
Position Zur Meinungsfreiheit Von AthletInnen (September 2020)