Stellungnahme der Rollstuhlbasketballer*innen: Drohender Verlust der Spielberechtigung für die Paralympischen Spiele
Athlet*innen werden mitten in eine Auseinandersetzung zwischen IPC und IWBF zu Governance-Fragen gezerrt.
Deutsche Übersetzung, englisches Original weiter unten.
Berlin, 31. August 2020. Die Athlet*innen der nachfolgenden und bereits für die Paralympischen Spiele qualifizierten Teams aus 10 von 14 Ländern fordern das Internationale Paralympische Komitee (IPC) dazu auf, seine Position zu überdenken und alle Athlet*innen bei den Paralympischen Spielen starten zu lassen, die im bisherigen Paralympischen Zyklus als startberechtigt galten. Unserer Meinung nach hatte das IPC im Laufe der vergangenen zwei Jahre genügend Zeit, um gegen den Internationalen Rollstuhlbasketball-Verband (IWBF) notwendige Maßnahmen zur Umsetzung des Klassifizierungskodex zu ergreifen. Dies hätte die jetzigen Schritte, die in ihrer Kurzfristigkeit vor allem in die individuellen Leben der Athlet*innen zutiefst einschneiden, verhindern können.
Wir sehen ein, dass sich die IWBF früher auf konstruktive Gespräche hätte einlassen müssen, um mit dem IPC daran zu arbeiten, dass Rollstuhlbasketball und seine Athlet*innen einen Platz bei den Spielen in Tokio hat. Wir glauben jedoch, dass das IPC zum jetzigen Zeitpunkt Mitgefühl und Verständnis für das Engagement der unschuldigen Athlet*innen, die sich für ihre Länder und die Paralympische Bewegung einsetzen, aufbringen muss.
Athlet*innen werden als Spielball in einer Auseinandersetzung zwischen IPC und IWBF zu Governance-Fragen benutzt. Die Mannschaften haben sich rechtmäßig qualifiziert. Ihre Athlet*innen erfüllen die aktuellen Klassifizierungsregularien für unseren Sport und sind dabei, sich auf die Paralympischen Spiele 2020 vorzubereiten. Wir fordern das IPC und die IWBF dringend dazu auf, gemeinsam eine Lösung zu finden, die alle Athlet*innen, die zentraler Bestandteil unseres Sports sind und ihn zu dem gemacht haben, was er heute ist, an den anstehenden Spielen teilnehmen zu lassen.
„Der gesamte Vorgang verstößt gegen grundlegende Rechte der Athlet*innen, an Wettkämpfen teilzunehmen, und ist ein Beispiel für den rückschrittlichen Zustand der aktuellen Sport-Governance. Als Führungskräfte des Sports sind Sie dazu verpflichtet, einzugreifen und die Rechte und das Wohl der Athlet*innen sicherzustellen,“ sagt Bo Hedges, Kapitän und Athletensprecher der kanadischen Rollstuhlbasketball Herrennationalmannschaft.
„Wir Athlet*innen machen sowohl das IPC als auch die IWBF dafür verantwortlich, dass diese Probleme nicht eher thematisiert und gelöst wurden. Der gegebene Zeitrahmen bedeutet eine unglaubliche Belastung für die betroffenen Athlet*innen und ihre Teamkolleg*innen, die so kurz vor den Wettbewerben im Ungewissen gelassen werden: Ein Widerspruchsverfahren kann eine Dauer von bis zu sieben Monaten haben; die Phase 2 des Reklassifizierungsprozesses inklusive möglicher Berufungsanträge kann sich so bis in den Juli 2021 strecken. Zur Erinnerung: Die Spiele finden Ende August bis Anfang September statt. Wir fordern das IPC deshalb auf, alle qualifizierten Athlet*innen bei den Spielen starten zu lassen, weil alle Athlet*innen ohne jegliche Planungssicherheit völlig verunsichert sind und so ihre Aussichten, bei den Spielen anzutreten und erfolgreich zu sein, zu Unrecht in Frage gestellt werden,“ sagt Mareike Miller, Kapitänin und Athletensprecherin der deutschen Rollstuhlbasketball Damennationalmannschaft.
Wir sind in den letzten Zügen der Teamvorbereitung, -auswahl und der Erarbeitung der optimalen Teamchemie auf dem Weg zu den Paralympischen Spielen 2020. Diese zusätzliche Belastung und Stress den Athlet*innen und ihren nationalen Sportverbänden aufzubürden, beansprucht ohnehin begrenzte Ressourcen über die Maßen zu einer Zeit, in der sich jede*r auf die Vorbereitung für die Spiele konzentrieren sollte. Athlet*innen zu diesem Zeitpunkt – nach Monaten, Jahren und Jahrzehnten der Vorbereitung – der Teilnahme an den Spielen zu berauben, ist herzzerreißend.