Pressemitteilung, Stimme

Stellungnahme zum Thema ­Spitzensportförderung durch die Sportlotterie

Köln, 19. April 2019. Athleten Deutschland bedankt sich sehr herzlich für die Einladung, an der Selbstbefassung des Sportausschusses des Deutschen Bundestages zum Thema „Alternative Wege zur Sportförderung durch die Lotterien – Siegerchance und Sportlotterie“ mitzuwirken, und nimmt diese Möglichkeit gerne wahr.

Athleten Deutschland wurde 2017 gegründet, um den deutschen Kaderathlet*innen eine unabhängige Stimme zu verleihen und ihnen die Chance zu geben, ihre Erfahrungen, Interessen und Ziele direkt in das System Leistungssport einzubringen. In den vergangenen zwei Jahren haben wir viel erreichen können. So haben wir die Umstrukturierung der Spitzensportförderung der Bundeswehr angestoßen und an der „Kaderprämie 2018“ sowie der Lockerung des Werbeverbots für deutsche Athletinnen und Athleten während Olympischer Spiele mitgewirkt. Mit dem DOSB und dem IOC haben wir eine Debatte zur Zukunft des Systems Leistungssport angestoßen. All das wäre nicht ohne die Unterstützung des Sportausschusses des Deutschen Bundestags und des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat möglich gewesen. Aus diesem Grunde möchten wir diese Gelegenheit nutzen, um Ihnen unseren tiefsten Dank auszusprechen. Ihre Unterstützung bedeutet uns stellvertretend für die deutschen Kaderathlet*innen viel und hat eine unabhängige und effektive Athletenvertretung in Deutschland erst ermöglicht!

Unser Ziel als Athlet*innen ist es, den Leistungssport in enger Zusammenarbeit mit Akteuren aus dem System Leistungssport sowie aus Politik, Gesellschaft und Wirtschaft Schritt für Schritt zu reformieren. Zusammen mit unseren Partnern möchten wir ein Leistungssportsystem schaffen, das uns als Protagonistinnen und Protagonisten des Sports den Stellenwert beimisst, den wir verdienen. Deshalb freuen wir uns umso mehr, heute zur Sportförderung durch die Lotterien konsultiert zu werden.

Athleten Deutschland begrüßt die Förderung des deutschen Spitzensports durch die Gesellschaften des Deutschen Lotto- und Totoblocks sehr. Jährlich unterstützt der Block den deutschen Sport mit bis zu 450 Millionen Euro. Wir sehen in dieser Förderung nicht nur eine Wertschätzung unserer individuellen Leistungen, sondern auch ein klares Bekenntnis zum Breiten- und Spitzensport mit gesellschaftlicher Bindeglied-, Integrations- und Vorbildfunktion.

In den letzten Jahren ist im Bereich der Sportförderung durch die Lotteriegesellschaften viel geschehen. Hervorzuheben ist vor allem die Etablierung der Zusatzlotterie „Die Sieger- Chance“ als explizit dem Spitzensport gewidmete Zusatzlotterie zur GlücksSpirale. Seit 2016 flossen so mehr als 15 Millionen Euro direkt in den deutschen Spitzensport. Wir Kaderathlet*innen profitieren hierdurch nicht nur indirekt über Ausschüttungen an den DOSB als Destinatär, der die Erträge mit den Sportfachverbänden und den Landessportbünden teilt. Wir profitieren auch ganz direkt durch die Leistungen der Stiftung Deutsche Sporthilfe, mit der der DOSB ebenfalls Erträge aus der Sieger-Chance teilt. Diese wiederum helfen uns dabei, unseren Lebensunterhalt zu bestreiten und die Ausübung unseres Sports zu finanzieren.

Athleten Deutschland begrüßt deshalb ausdrücklich die Entscheidung von Lotto Hessen, zum Kreis der Sieger-Chance-Länder hinzuzustoßen und damit „Die Sieger-Chance“ als Förderin des deutschen Spitzensports weiter zu stärken. Auch die Gründung der Deutschen Sportlotterie ist ein vielversprechendes Vorhaben. Wir teilen uneingeschränkt die Überzeu- gung der Lotterieinitiatoren, dass das System der direkten Spitzensportförderung in Deutschland nachhaltig verbessert werden muss. Aus diesem Grunde begrüßen wir, dass die Lotterie die direkte Förderung von Sportlerinnen und Sportlern zum Ziel hat.

Die finanzielle Situation im deutschen Leistungssport hat sich in den letzten Jahren verbessert. Dazu beigetragen hat nicht nur die Unterstützung der Lotteriegesellschaften, sondern zum Beispiel auch die jüngst verabschiedete „Kaderprämie 2018“, die von der Stiftung Deutsche Sporthilfe ausgezahlt wurde. Im Bundeshaushalt 2019 wurden nachträglich 7,0 Millionen Euro für die direkte Athletenförderung eingestellt. Um die Lebensverhältnisse der Athlet*innen grundlegend zu verbessern, müssen auch Akteure wie der DOSB und das IOC in die Pflicht genommen werden. Der jüngst veröffentlichte Leitfaden zur Regel 40 der Olympischen Charta für deutsche Olympiateilnehmerinnen und -teilnehmer ist ein erster, begrüßenswerter Schritt in die richtige Richtung und ermöglicht mehr Möglichkeiten zur Selbstvermarktung der Athlet*innen.

Nichtsdestotrotz bleibt die finanzielle Situation vieler Sportler*innen angespannt. Wie die vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft im Oktober 2018 veröffentlichte Studie „Die Lebenssituation von Spitzensportlern und -sportlerinnen in Deutschland“ detailliert aufzeigt, leben viele von der Stiftung Deutsche Sporthilfe geförderten Kaderathlet*innen von Minimaleinkommen. Werden die sportbezogenen Einnahmen und Ausgaben mit den für Sport aufgebrachten Wochenstunden in Bezug gesetzt, liegt der Stundenlohn deutscher Leistungssportler*innen im Mittel bei 5,06 Euro. Der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland beläuft sich dagegen im Jahr 2019 auf 9,19 Euro. Für viele deutsche Kaderathlet*innen kann der Spitzensport damit aus rein ökonomischen Gesichtspunkten ein Verlustgeschäft sein, das existenzielle Notlagen hervorrufen kann. Sie können nur deshalb ihrem Traum nachgehen, weil sie Unterstützung von ihren Familien, Freunden und Bekannten erhalten. Doch nicht alle unserer Kolleg*innen können auf ein solches Unterstützungsnetzwerk zurückgreifen. Jahr für Jahr sehen sich Kaderathlet*innen gezwungen, ihre Karriere frühzeitig aufgrund mangelnder finanzieller Unterstützung zu beenden. Die Hauptursache für eine vorzeitige Beendigung einer Spitzensportkarriere ist schlussendlich nicht mangelnder sportlicher Erfolg, sondern vielmehr die Konzentration auf Ausbildung, Studium oder Beruf. Für den deutschen Sport, aber auch für die Gesellschaft als solche stellt das einen nicht zu unterschätzenden Verlust dar.

Für uns Athlet*innen ist somit klar, dass die Finanzierung des deutschen Leistungssportsystems weiter überdacht und weiter ausgebaut bzw. zumindest effizienter gestaltet werden muss. Mit der Etablierung von GlücksSpirale Sieger-Chance und Deutscher Sportlotterie wurden erste richtige und wichtige Schritte auf diesem Weg unternommen. Die aktuelle Testphase des Doppelangebots von Sieger-Chance und Deutscher Sportlotterie in Hessen ab März 2019 beobachten wir deshalb mit großem Interesse. Sollte sich das Doppelangebot marktseitig bewähren und eine effiziente wie effektive Ertragsverwendung für den deutschen Spitzensport gewährleistet sein, hoffen wir nach entsprechender Evaluierung auf ein bundesweites und damit flächendeckendes Angebot von GlücksSpirale Sieger-Chance und Deutscher Sportlotterie. Vorbehaltlich dieser Kriterien würde Athleten Deutschland es außerordentlich begrüßen, wenn sich Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und aller weiteren involvierten Akteure für die zügige flächendeckende Umsetzung dieses Doppelangebotes einsetzen würden.