Athleten- und Trainervertretung mit Appell zum Sportfördergesetz: Eigenständige Vertretung und faire Arbeitsbedingungen der wichtigsten Gruppen im Spitzensport ermöglichen!
Berlin / Chemnitz, 18. April 2024. Der Berufsverband der Trainer/innen im deutschen Sport (BVTDS) und die Athletenvertretung Athleten Deutschland richten im Kontext der heutigen Sportministerkonferenz einen eindringlichen Appell an Bund, Länder und den organisierten Sport.
Die aktuell laufende Spitzensportreform und das Sportfördergesetz haben das Ziel, das Gespann aus Trainer*innen und Athlet*innen zu besserer Leistung und mehr Erfolg zu führen. Das betonen Verantwortliche aus Bund, Sport und Ländern bei jeder Gelegenheit, regelmäßig auch öffentlich.
Neben den unbestritten wichtigen Strukturanpassungen müssen die Menschen im Spitzensport in den Mittelpunkt der Reform rücken. Wir plädieren dafür, das Wohlergehen und den Schutz dieser Gruppen direkt zu stärken. Damit Athlet*innen Höchstleistungen erbringen und Trainer*innen diese ermöglichen können, müssen ihre grundlegenden Bedarfe erfüllt und ihre Rechte verwirklicht werden. Dann wird auch die Attraktivität dieser Karrierewege für künftige Generationen erhöht. Für uns steht fest: Die Gewährleistung fairer Arbeitsbedingungen muss unverhandelbare Grundlage des staatlich geförderten Spitzensportsystems sein.
Das Sportfördergesetz muss deshalb soziale Absicherungsfragen von Athlet*innen und Trainer*innen umfassend adressieren und deren selbstbestimmte, unabhängige Vertretung in den Aufsichtsgremien der Leistungssportagentur ermöglichen. Ersteres kommt im aktuellen Entwurf zum Sportfördergesetz zu kurz, letzteres wird sogar verhindert.
Die Probleme vieler Athlet*innen und Trainer*innen sind seit Jahren und Jahrzehnten bekannt, bleiben aber weitgehend ungelöst. Das Feinkonzept zur Spitzensportreform greift die Problemlagen – nicht zuletzt auf Grundlage unserer Initiativen und Forderungen – umfassend auf. Umso wichtiger ist es, die einmalige Chance zum Sportfördergesetz jetzt zu nutzen und die gesetzgeberischen Potenziale zum besseren Schutz und zur Absicherung der Athlet*innen und Trainer*innen voll auszuschöpfen. Erfolge und Erträge sozialisieren, Risiken und Missstände privatisieren – das muss ein Ende finden.
Die Trainer*innen benötigen eine Absicherung in Form eines Tarifvertrags für faire Gehälter und Arbeitsbedingungen. Die tarifvertragliche Bindung muss im Rahmen des Sportfördergesetzes zur Zuwendungsvoraussetzung für die Anstellung von Trainer*innen mit öffentlichen Fördermitteln gemacht werden. Zu Gunsten der Athlet*innen muss das Gesetz Ansprüche auf individuelle Absicherungsleistungen verankern, um Absicherungslücken zu schließen. Relevante „Risikobereiche“ sind zum Beispiel Elternschaft, Krankheit, Unfall, Alter, Arbeitsunfähigkeit oder unverhältnismäßige Härten beim Karriereübergang.
Faire Arbeitsbedingungen beinhalten das Recht, bei der Gestaltung dieser Bedingungen mitentscheiden zu können. Wenn die Trainer*innen und die Athlet*innen so wichtig sind, wie die Spitzen der deutschen Sportpolitik regelmäßig bekennen, dann müsste auch ihre eigenständige, unabhängige und professionelle Vertretung in den sportpolitischen Arenen und Gremien eine Selbstverständlichkeit sein.
Wir sind überzeugt, dass die Mitbestimmung durch unabhängige Vertretungsorganisationen die Qualität von Entscheidungen und deren Akzeptanz erhöhen. Im Aushandlungsprozess zur Spitzensportreform konnten sowohl Athleten Deutschland als auch der BVTDS vielfach – auch unter vehementem Einsatz – Akzente setzen und Themen auf die Agenda bringen, die ohne unser Zutun von anderen in dieser Form nicht adressiert worden wären.
Unser Eindruck ist, dass die Notwendigkeit und der Mehrwert unabhängiger und professioneller Vertretung bei den Beteiligten im bisherigen Prozess allgemein anerkannt sind. Diese Bewertung sollte demzufolge auch konsequent bei Entscheidungsprozessen, etwa zur Besetzung von Aufsichtsgremien, zum Tragen kommen.
Die vorgesehene Ausgestaltung der Aufsichtsgremien der Leistungssportagentur spiegelt diese Erkenntnis nicht wider. Die Agentur wird perspektivisch der entscheidende Akteur im Spitzensportsystem sein und weitreichende Entscheidungen treffen, die die Lebensrealität von Athlet*innen und Trainer*innen betreffen.
Die eigenständige Vertretung beider Gruppen in diesen Aufsichtsgremien wird im aktuellen Entwurf zum Sportfördergesetz verhindert. Die derzeit vorgesehene Aufteilung der Aufsichtsstrukturen geht auf einen intransparenten Einigungsprozess im letzten Frühherbst zurück. Dieser wurde ohne die damit befasste Arbeitsgruppe des Reformprozesses und zu Lasten relevanter Dritter im Sportsystem durchgeführt. Wir wollen nicht, dass Vereinbarungen über die Köpfe derjenigen hinweg getroffen werden, die wir vertreten.
Im Referentenentwurf zum Sportfördergesetz wird dem DOSB ein Entsendungsrecht für die Vertretung der im Sportsystem relevanten Akteure zugestanden. Im DOSB finden die Verbände und ihre legitimen Anliegen eine starke Dachorganisation, die ihre Interessen gegenüber Dritten vertritt. Der Vertretungsanspruch des DOSB kann sich aber aus unserer Sicht nur auf seine Mitgliedsorganisationen erstrecken. Weil sich deren Interessen nicht zwangsläufig mit den Interessen der Athlet*innen und der Trainer*innen decken müssen, ist die unabhängige Vertretung beider Gruppen so essenziell.
Folglich müssen der BVTDS und Athleten Deutschland als unabhängige Vertretungen in den vorgesehenen Aufsichtsstrukturen der Agentur auf Augenhöhe verankert werden – ohne, dass der DOSB ein faktisches Kontrollrecht über die Besetzung dieser Gremien auf Basis machtpolitischer Absprachen erhält.
Wir fordern daher auch in diesem Bereich umgehende Anpassungen im weiteren Gesetzgebungsverfahren zum Sportfördergesetz. Die Änderungen müssen Ergebnis einer nachvollziehbaren und kriteriengeleiteten Diskussion zu Kompetenzen und zur Besetzung der Aufsichtsstrukturen der Leistungssportagentur sein. Das machtpolitische Festhalten an den jetzigen Planungen würde die wirksame und unabhängige Aufgabenwahrnehmung der Agentur sowie die Glaubwürdigkeit der Reformbemühungen aufs Spiel setzen.
Weiterführende Informationen:
- Stellungnahmen von Athleten Deutschland zum Sportfördergesetz (März 2024 und Dezember 2023) sowie zur Spitzensportreform (September 2023 und Dezember 2022)
- Stellungnahmen vom BVTDS zum Sportfördergesetz (März 2024) sowie zur Arbeitssituation von Trainer*innen (Oktober 2023 und Juli 2022)