Pressemitteilung, Stimme

Anregung von Athleten Deutschland für ein Sportfördergesetz aufgegriffen // Athleten Deutschland fordert Mitbestimmung bei Leistungssportreform

Berlin, 22. November 2022. Wir begrüßen, dass sich der DOSB und der organisierte Sport offen für unsere Anregung zur Verabschiedung eines Sportfördergesetzes zeigen. Dies geht aus einem Gastbeitrag des DOSB-Vorstandsvorsitzenden Torsten Burmester in der FAZ am 21. November hervor. Athleten Deutschland hatte in seinem Grundsatzpapier „Warum ist es uns das wert?“ vom 15. August ein solches Sportfördergesetz als Handlungsoption für einen neuen Gesellschaftsvertrag zur staatlichen Spitzensportförderung angeregt. In dem Papier fordern wir eine Grundsatzdebatte zu den Zielen der staatlichen Spitzensportförderung.

Ferner begrüßen wir, dass der DOSB im Bereich der Spitzensportentwicklung bereit ist, „bislang unverrückbare Blockaden zu lösen und altbewährte Glaubenssätze über Bord zu werfen.“ Erst kürzlich hatten der DOSB in einem Eckpunktepapier und die Landesportbünde in einer Positionierung noch für mehr Kompetenzen des organisierten Sports bei der Mittelvergabe geworben. Nun zeigt sich der DOSB erstmalig offen für eine externe Vergabeinstanz. Athleten Deutschland befürwortet ausdrücklich das Vorhaben der Regierungskoalition, eine unabhängige Instanz zur Mittelvergabe einzurichten.

Zur Entfaltung ihrer Wirkung muss eine solche Instanz unabhängig agieren. Auf Basis von gesellschaftlich festzulegenden Zielen und daraus abgeleiteten Kriterien könnte sie staatliche Fördermittel an Mittelempfänger wie Verbände verteilen. Diese könnten die Fördermittel dann im Rahmen mehrjähriger Budgets nach sportfachlichem Dafürhalten flexibler und weniger bürokratisch verwenden. Athlet*innen könnten immens profitieren, wenn Verbände die Förderung infolgedessen effizienter und effektiver einsetzten. Die unabhängige Instanz würde die Mittelverwendung überprüfen.

Sie könnte einen grundlegenden Fehler des Spitzensportsystems beheben: Als Fördermittel-Lobbyist für seine Mitglieder steckt der DOSB in einem Dilemma, da er gleichzeitig Kontroll- und Vergabefunktionen jener Mittel gegenüber seinen Mitgliedsorganisationen wahrnimmt. Eine vom Sport unabhängige Vergabeinstanz kann den DOSB aus diesem Interessenkonflikt befreien. Bei deren Aufbau gilt es deshalb, den derzeitigen Systemfehler nicht zu reproduzieren. Die alleinige Kontrolle oder gar Beeinflussung einer solchen Organisation von Staat und Sport nach WADA-Vorbild sollte vermieden werden. Stattdessen könnten Athlet*innen und weitere gesellschaftliche Akteure in die Ausübung von Kontrollfunktionen eingebunden sein.

Für uns steht fest, dass solche grundlegenden strategischen Weichenstellungen im Spitzensport nur gemeinsam mit Athleten Deutschland als gleichberechtigtem Partner vollzogen werden können. Eine Leistungssportreform kann nicht ohne die Mitbestimmung und Mitgestaltung der Athlet*innen gelingen. Die Forderung nach paritätischer Mitbestimmung bei allen Entscheidungsprozessen, die die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Athlet*innen betreffen, haben wir gegenüber DOSB und BMI seit Frühsommer mehrfach geäußert und erneuert.

Im bisherigen Prozess der Ausarbeitung des Grobkonzepts zur Fortentwicklung der Spitzensportförderung hat dieses Ansinnen keine Berücksichtigung gefunden. Punktuelle Konsultierung und unregelmäßiger Informationsaustausch decken sich nicht mit unserem Verständnis von ernst gemeinter Mitbestimmung und Mitgestaltung. Die bisherigen Prozesse sowie Diskussions- und Entscheidungsformate blieben für uns in weiten Teilen undurchsichtig. Die Kurzfristigkeit der derzeitigen Entwicklungen lassen unseres Erachtens keine sorgfältige Analyse und Bearbeitung der seit Jahren bestehenden Herausforderungen zu.

Eine gleichberechtige Partnerschaft mit den Athlet*innen hingegen würde die Qualität der Entscheidungen erhöhen und wichtige Akzeptanz bei den Athlet*innen gewährleisten. Es wäre sichergestellt, dass die Athlet*innen – wie so häufig beschworen – tatsächlich im Mittelpunkt stünden.

Wir hoffen, dass die Mitbestimmung der Athlet*innen in Form ihrer unabhängigen Vertretung Athleten Deutschland von nun an Kernprinzip der anstehenden Prozesse sein wird. Dieses Prinzip sollte für die Planung von Verfahren, die Erarbeitung von Entscheidungsgrundlagen und die Entscheidungsfindung als solche gelten. Athleten Deutschland beabsichtigt, zeitnah weitere Impulse zur Situation des Spitzensports zu setzen.