Nach Hearing zu sexuellem Kindesmissbrauch: Diskussion zu Unabhängigem Zentrum für Safe Sport angeregt
Berlin, 14. Oktober 2020. Das gestrige 4. Öffentliche Hearing „Sexueller Kindesmissbrauch im Sport“ der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs (UKASK) hat bei Athleten Deutschland tiefen Eindruck hinterlassen. Wir danken den Betroffenen für ihre Offenheit und ihren Mut über ihre Geschichten zu sprechen und damit dieses immens wichtige Thema ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken. Wir begreifen das Hearing als Auftakt, diese gravierendste Form von Machtmissbrauch im Sport verstärkt in den Fokus unserer Aktivitäten zu nehmen, um einen ernst gemeinten und athletenzentrierten Struktur- und Kulturwandel gemeinsam mit Sport, Politik und Zivilgesellschaft voranzutreiben. Als unabhängige Organisation wollen wir – im Zusammenspiel mit professioneller Unterstützung – zur nötigen Vernetzung betroffener Kaderathlet*innen beitragen, von ihren Geschichten lernen und ihrer Stimme Gehör verschaffen.
Unser Dank und Respekt gilt auch DOSB-Vizepräsidentin Frau Dr. Petra Tzschoppe, die sich im Hearing im Namen des organisierten Sports bei den Betroffenen für das erlittene Leid entschuldigte und eine Beteiligung des DOSB an Leistungen zur Wiedergutmachung ankündigte. Zudem möchten wir die Arbeit der Deutschen Sportjugend im Bereich Prävention explizit als positiv und elementar wichtig herausstellen.
Gleichzeitig zeigen die traurigen Enthüllungen im In- und Ausland im Bereich des sexuellen Missbrauchs eindrücklich, dass sich der organisierte Sport trotz aller Anstrengungen nicht immer selbst regulieren kann. Langfristig regt Athleten Deutschland eine Diskussion an, ob eine unabhängige Institution als zentrale Stelle für Safe Sport in Deutschland fungieren kann. Diese könnte beispielsweise eine Führungsrolle bei der langfristig angelegten Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch im Sport wahrnehmen – wie von Frau Prof. Dr. Bettina Rulofs, Professorin für Sportsoziologie der Bergischen Universität Wuppertal, in einem ähnlich gelagerten Vorschlag während des Hearings angedacht. Eine solche Organisation könnte ferner als unabhängige und kompetente Anlauf- und Beratungsstelle für Betroffene und auch für oftmals überforderte Vereine und Verbände dienen sowie Fortschritte in der Umsetzung von Präventions- und Schutzkonzepten kontrollieren.
Maximilian Klein, der für Athleten Deutschland an der Diskussion des gestrigen Hearings zur Verantwortung für Aufarbeitung im Sport teilnahm: „Die Geschichten und tiefen Wunden der Betroffenen lassen in drastischer Weise strukturell angelegte Defizite im organisierten Sport erahnen. Die Fälle mahnen zu proaktivem und entschlossenem Handeln – besonders im Bereich der Aufarbeitung. Deutschland könnte durch die proaktive Schaffung einer unabhängigen Institution für Safe Sport erneut mit gutem Beispiel auch für andere Länder vorangehen, nachdem bereits die Finanzierung einer unabhängigen Athletenvertretung mit weltweitem Vorbildcharakter ermöglicht wurde.“
Klar ist: Eine aktive und flächendeckende Kultur des Hinsehens und lokale Netzwerke zum Umgang mit sexualisierter Gewalt und Missbrauch im Sport blieben auch bei Schaffung einer unabhängigen Institution für Safe Sport weiterhin unabdingbar. Dies ist eine Aufgabe, die der Sport nur gemeinsam mit Politik und Zivilgesellschaft leisten kann.
Athleten Deutschland hat sich den drei Säulen Stimme, Schutz und Perspektive für aktuelle und künftige Kaderathlet*innen verschrieben. Athlet*innen müssen vor Machtmissbrauch und insbesondere jeglicher Form sexueller Gewalt im Sport geschützt werden. Ihnen müssen sichere und gewaltfreie Bedingungen ermöglicht werden, die menschen- und kinderrechtliche Sorgfaltspflichten einhalten.
Sexualisierte Gewalt und sexueller Missbrauch im Sport sind nicht einzelfallgeleitet, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem, das durch die Strukturen des organisierten Sports begünstigt wird. Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs (UKASK) leistet im Bereich des Sports zentrale Arbeit, um Missbrauchsfälle im Sport aufzuarbeiten, das Thema zu enttabuisieren und eine Grundlage zur Anerkennung des angetanen Leids und der Folgen zu schaffen.