Menschenrechte, Pressemitteilung, Stimme, Schutz

Stellungnahme I Gespräch im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Gesamtstrategie, Debatte, Förderentscheidungen: Menschenrechte im Sport verwirklichen

Berlin, 01. März 2023. Athleten Deutschland ist heute zum Gespräch über die Verschränkungen von Menschenrechten und Sport im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe im Deutschen Bundestag eingeladen. Hier finden Sie unsere Stellungnahme.

Wir begrüßen, dass sich der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe nach einer öffentlichen Anhörung am 11. Mai 2022 erneut mit den Verschränkungen von Menschenrechten und Sport befasst (Stellungnahme Athleten Deutschland Mai 2022). Im Namen der für Deutschland startenden Athlet*innen bedankt sich Athleten Deutschland für die erneute Einladung zum Austausch und das fortwährende Interesse und Engagement im Themenfeld „Menschenrechte im Sport“.

Wir beziehen heute Stellung zu:

  • Den Menschenrechtsrisiken für Athlet*innen
  • Den aktuellen Entwicklungen im Bereich Safe Sport
  • Dem DOSB-Vorhaben der Entwicklung einer Menschenrechts Policy
  • Den aktuellen Entwicklungen und Bedingungen für die derzeit laufende Spitzensportreform

In Deutschland ist eine schlüssige Gesamtstrategie auf Basis der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte zum Schutz und für die Verwirklichung der Menschenrechte im (Spitzen-)Sport nötig. Ziel muss es u.a. sein, bestehenden Menschenrechtsrisiken proaktiv und präventiv zu begegnen, diese zu mindern, mit Beschwerden wirksam umzugehen, Rechteverletzungen abzustellen und Mechanismen zur Abhilfe aufzubauen. Wir begrüßen in diesem Zusammenhang sehr, dass sich der DOSB im vergangenen Jahr auf den Weg hin zu einer Menschenrechts-Policy begeben hat (s.u.).

Es ist uns ein großes Anliegen, dass die Debatte zu Menschenrechtsrisiken im Sport nicht isoliert, sondern im übergeordneten Kontext von Integritätsfragen im Sport verstanden und angegangen wird. Die sich überschneidenden Handlungsfelder Safe Sport sowie Menschenrechte und Integrität im Sport sollten aus unserer Sicht strategisch zusammengeführt werden, statt siloartige Parallelentwicklungen ohne erkennbare Abstimmungen zuzulassen.

Wir schlagen daher erneut ein harmonisiertes Integritätssystem vor, das die Bearbeitung von Integritäts- und Menschenrechtsrisiken entlang der Säulen Schutz von Personen, Schutz von Organisationen und Schutz von Wettbewerbengewährleisten kann. Ein umfassendes Positionspapier dazu haben wir bereits im Dezember 2021 veröffentlicht. Dieses System soll Präventionsmaßnahmen flächendeckend sowie überprüfbar umsetzen und Risiken reduzieren. Es geht effektiv gegen Missstände und Integritätsverletzungen vor und hält wirksame Untersuchungs-, Sanktions- und Abhilfemechanismen bereit.

Eine umfassende Analyse und Kartierung der derzeitigen Integritätsarchitektur, ein Integrity Governance Review nach australischem Vorbild[1], wäre ein erster Schritt, um die bestehende Integritätslandschaft im Sport in Deutschland einer Bestandsaufnahme zu unterziehen und entsprechend Lücken und Handlungsbedarfe zur Erfüllung des o.g. Zielbilds zu identifizieren.

Eine funktionierende Integritätsarchitektur ist Bedingung für die Gewährung staatlicher Sportförderung und im ureigenen Interesse des organisierten Sports. Ein integrer, wertebasierter und damit förderwürdiger Sport muss auf der Achtung der Menschenrechte fußen. Die nun anstehenden Prozesse rund um die Spitzensportreform bieten die Chance, auch Grundsteine für Reformen zur Harmonisierung der Integritätsarchitektur zu legen.  Staatliche Fördergelder sollten daher an die Erfüllung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten der Sportverbände auf Basis der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte geknüpft werden.

Aus Sicht von Athleten Deutschland wird im anstehenden Gesetzgebungsprozess für das Sportfördergesetz auch zu klären sein, ob und wie solche Pflichten im Integritäts- und Menschenrechtsbereich als Zuwendungsvoraussetzung für Zuwendungsempfänger Eingang in die Gesetzgebung finden können und sollen.

Zudem regen wir an, im Rahmen des Reformprozesses Maßnahmen zur Stärkung selbstbestimmter und mündiger Athlet*innen zu beschließen. Unter anderem sollten in einem Prozess analog zum BMAS-Eckpunktepapier „Faire Arbeit in der Plattformökonomie“[2] die Risiken und Schutzbedarfe von Athlet*innen systematisch erfasst und Handlungsbedarfe für Sport und Staat abgeleitet werden. Viele Athlet*innen sind Solo-Selbstständige und/oder unzureichend gegen Risiken abgesichert. Faire Arbeitsbedingungen und soziale Absicherung sollten Grundpfeiler des staatlich geförderten Spitzensportsystems sein.

[1] https://www.sportintegrity.gov.au/sites/default/files/Report of the review of Australia’s Sports Integrity Arrangements.pdf.

[2] https://www.denkfabrik-bmas.de/schwerpunkte/plattformoekonomie/eckpunkte-des-bmas-fuer-faire-arbeit-in-der-plattformoekonomie.