Pressemitteilung, Stimme

Vertrags- und Vergütungssituation von Trainer*innen und Leistungssportpersonal „Trainer*innen wissen manchmal an Weihnachten noch nicht, ob ihr Vertrag ab Januar verlängert wird.“

Berlin, 6. Juli 2022. Am Mittwoch (6. Juli) befasst sich der Sportausschuss des Deutschen Bundestages mit der Vertrags- und Vergütungssituation von Trainer*innen und Personal im Leistungssport. Maximilian Klein vertritt Athleten Deutschland als Sachverständiger und präsentiert unsere Stellungnahme, die wir im Kontext der Sitzung hier veröffentlichen.

Im Vorfeld der Sitzung berichtete uns eine Athletin: „Bundestrainerinnen und -trainer wissen manchmal an Weihnachten noch nicht Bescheid, ob ihr Vertrag verlängert wird oder sie ab Januar arbeitslos sind. Durch diesen enormen Druck jedes Jahr haben schon einige kompetente junge Trainerinnen und Trainer gekündigt.“

Der Austausch mit unseren Mitgliedern machte vor allem deutlich: Trainer*innen und Personal im Leistungssport sind unabdingbar und entscheidend für die sportliche und persönliche Entwicklung von Athlet*innen. Ihre Ausbildung und berufliche Praxis müssen daher höchsten Standards entsprechen. Nur so können sie dazu beitragen, dass Athlet*innen ihr sportliches und persönliches Entwicklungspotenzial optimal entfalten. Dann kann auch das Risiko gemindert werden, dass sie negativen Einfluss auf Athlet*innen nehmen oder gar Schaden anrichten.

Damit Trainer*innen und Personal im Leistungssport überhaupt ihrer Rolle und enormen Verantwortung gerecht werden können, müssen auch sie daher optimale und nachhaltige Rahmenbedingungen vorfinden. Dies ist oft noch nicht der Fall.

Langer Weg vom Problembewusstsein zur Vereinbarung von Lösungsansätzen

Die Probleme rund um die Anstellungsmodalitäten von Trainer*innen sind seit Jahren, teilweise Jahrzehnten bekannt. Der Handlungsbedarf[1] wurde im Rahmen der Leistungssportreform (2016) identifiziert: „Erhebliche Defizite sind im Bereich der vertraglichen Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse der Trainer zu verzeichnen. Sie reichen von arbeitsrechtlich problematischen Mehrfachbefristungen über mangelnde soziale Absicherung, fehlende Weiterbildungsverpflichtungen bis hin zu überdurchschnittlich langen Arbeitszeiten.“

Mit der DOSB-Trainerkonzeption von 2019 liegen nun u.a. Lösungsansätze und -empfehlungen seit einiger Zeit vor. Das Konzept stellt sich gegen die bisherige Praxis rechtswidriger Kettenbefristungen, berücksichtigt Regelungen zu Arbeitsschutz und Arbeitszeiten, sieht verpflichtende Weiterbildungsmaßnahmen vor und legt Lohnuntergrenzen auf Grundlage einer Vergütungstabelle fest.

Die Verabschiedung Konzepts ist daher als Meilenstein zu betrachten und aus unserer Sicht als positiv zu bewerten. Die Umsetzung dieser konkreten und substanziellen Lösungsansätze wurde akteursübergreifend verbindlich vereinbart. Damit ist das Potenzial gegeben, die Situation der Trainer*innen und ihres Berufsstands nachhaltig zu verbessern.

Unklare Zeit- und Umsetzungsplanung, fehlendes Monitoring

Im dritten Jahr nach Verabschiedung des DOSB-Trainerkonzepts scheint sich die Lage für Trainer*innen jedoch nicht substanziell verbessert zu haben. Das legen Umfragen des Berufsverbands der Trainer*innen (BVTDS) aus 2021 und 2022 nahe.[2]  Aus unserer Sicht besteht derzeit ein unklarer Umsetzungsstand. Uns ist nicht bekannt, wie weit die Steuerungsfähigkeit des DOSB reicht bzw. ausgeschöpft wird, um eine zufriedenstellende Umsetzung der Reformansätze zu gewährleisten. Ein transparentes Umsetzungsmonitoring sowie eine nachvollziehbare Zeit- und Umsetzungsplanung sind uns nicht bekannt und sollten daher eingeführt bzw. transparent kommuniziert werden.

Klarheit zu Umsetzungsstand des Trainerkonzepts schaffen und verfügbare Hebel nutzen

Maximilian Klein: „Athletinnen und Athleten geht es gut, wenn es ihren Trainerinnen und Trainern gut geht. Deshalbsollte zeitnah der politische Wille zur Lösung der lang bekannten Missstände rund um deren Anstellungsmodalitäten erneuert werden. Die öffentliche Hand sollte ihre Hebel nutzen und geeignete Kriterien in die Zuwendungsvoraussetzungen aufnehmen, um diesen Herausforderungen gezielt zu begegnen.“

Hierzu böte die derzeitige grundlegende Überarbeitung der Förderrichtlinien aus dem Jahr 2005 eine gute Gelegenheit. Gleichstellungsfragen sollten bei der Einstellungspraxis und der Personalentwicklungsplanung der Arbeitgeber unbedingt Berücksichtigung finden.

Relevante und verbindliche Kriterien sollten ebenfalls in das Attributesystem der PotAS-Kommission aufgenommen werden und Gegenstand der Strukturgespräche zwischen DOSB und Spitzenverbänden sein.

Eine Anerkennung des Berufsbilds für Trainer*innen und damit einhergehende (akademisierte) Aus- und Weiterbildungsstandards könnten zusätzlich die Attraktivität des Trainer- bzw. Trainerinnenberufs steigern und die angebotsseitige Marktsituation verbessern.

[1] Siehe auch die von der Bundesregierung beauftragte Studie: Breuer, C., Wicker, P., & Orlowski, J. (2017). Bundes-und mischfinanzierte Trainer im deutschen Spitzensport-Standortbedingungen und Migrationsanalyse (Vol. 2017). Sportverlag Strauß.

[2] Siehe auch Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage im Frühjahr 2020 zu „Trainern an Bundesstützpunkten“: https://dserver.bundestag.de/btd/19/193/1919335.pdf.