Gewalt und Missbrauch, Pressemitteilung, Schutz

Athleten Deutschland nimmt Anlaufstelle Anlauf gegen Gewalt für Spitzensportler*innen in Betrieb

Berlin, 16. Mai 2022. Anlauf gegen Gewalt, die unabhängige Anlaufstelle für Betroffene von interpersonaler Gewalt und Missbrauch im Spitzensport, nimmt am 16. Mai 2022 um 11:00 Uhr den Betrieb auf. Aktive und ehemalige Bundeskaderathlet*innen können die Anlaufstelle unter 0800 90 90 444 oder kontakt@anlauf-gegen-gewalt.org kontaktieren, sollten sie physische, psychische und/oder sexualisierte Gewalt im Sportkontext erfahren haben. Die telefonischen Sprechzeiten sind montags von 11:00 bis 14:00 Uhr und donnerstags von 16:00 bis 19:00 Uhr. Bei schriftlicher Kontaktaufnahme erhalten Ratsuchende zeitnah Rückmeldung.

Anlauf gegen Gewalt bietet Betroffenen die Möglichkeit zur anonymen telefonischen Fachberatung, schriftlichen Kontaktaufnahme sowie längerfristigen Begleitung durch unsere Ansprechpersonen. Bei Bedarf können die betroffenen Bundeskaderathlet*innen Unterstützung in Form einer rechtlichen und/oder psychotherapeutischen Erstberatung in Anspruch nehmen. Auch Angehörige und/oder Personen, die Gewalt und Missbrauch im Spitzensport beobachtet haben, können sich an Anlauf gegen Gewalt wenden.

„Wir freuen uns sehr über das neue Angebot, das wir den Bundeskaderathletinnen und -athleten mit `Anlauf gegen Gewalt´ unterbreiten können. Erstmals gibt es jetzt eine Anlaufstelle für Betroffene, die außerhalb von Verbandsstrukturen existiert und doch im Spitzensport zu Hause ist“, sagt Karla Borger, Präsidentin von Athleten Deutschland.

„Unsere Anlauf- und Beratungsstelle stellt nun endlich sicher, dass Betroffene im Spitzensport in einem strukturierten Prozess die Unterstützung bekommen, die ihnen zusteht. Athleten Deutschland ist das natürliche Zuhause für die Athletinnen und Athleten. Wir freuen uns, unser bestehendes Unterstützungsangebot nun um diese unabhängige Anlauf- und Beratungsstelle ergänzen zu können. “, ergänzt Tobias Preuß, Vizepräsident von Athleten Deutschland.

Arbeitsweise der Anlaufstelle

Die Anlaufstelle nimmt Meldungen telefonisch oder schriftlich entgegen. Der telefonische Erstkontakt findet anonym mit Fachkräften des Vereins N.I.N.A. e.V., Träger des bundesweiten „Hilfe-Telefon Sexueller Missbrauch“, statt. Das N.I.N.A.-Team wurde für die Besonderheiten des Spitzensports sensibilisiert und mit der Lebenswelt der Bundeskaderathlet*innen vertraut gemacht. Die schriftliche Kontaktaufnahme wird direkt von den Ansprechpartnerinnen von Anlauf gegen Gewalt, Gitta Axmann und Nadine Dobler, beantwortet. Beide sind Expertinnen für sexualisierte, psychische und physische Gewalt. Sie stehen für eine nachhaltige Begleitung der Betroffenen zur Verfügung.

Zudem bietet Anlauf gegen Gewalt den Betroffenen die Möglichkeit, eine rechtliche und/oder psychotherapeutische Erstberatung in Anspruch zu nehmen. Die rechtliche Beratung wird durch die spezialisierten Kanzleien Ladenburger und Lörsch durchgeführt, die langjährige Erfahrung in der Beratung von Betroffenen vorweisen. Die psychotherapeutische Unterstützung leistet Dr. Anne Boos, psychologische Psychotherapeutin und Traumatherapeutin. Über die Netzwerke MentalGestärkt und Athletes in Mind können bei Bedarf weitere Therapeut*innen aktiviert und damit nachgelagert wohnortnahe psychologische oder psychotherapeutische Betreuung vermittelt werden. Auf ausdrücklichen Wunsch der Betroffenen stellt Athleten Deutschland den Kontakt zu den betreffenden Verbänden her, informiert diese über den Fall und unterstützt die Betroffenen im weiteren Verlauf.

Die Arbeit der Anlaufstelle wird durch das Heidelberger Institut für Sozial- und Verhaltenswissenschaften e.V., An-Institut der SRH Hochschule Heidelberg, wissenschaftlich begleitet. Daten werden nur mit dem ausdrücklichen Einverständnis der Ratsuchenden erhoben. Das Verfahren lässt keinen Rückschluss auf die Identität der Betroffenen zu.

Anlauf gegen Gewalt wurde unter stetiger Einbindung von Betroffenen aufgebaut. Relevante sportpolitische Akteure wurden informiert und eingebunden. Athleten Deutschland führte Austausch- und Feedbackrunden mit Athlet*innen, Landessportbünden, Dach- und Spitzenverbänden, den Laufbahnberater*innen der Olympiastützpunkte, dem Berufsverband der Trainer*innen, der Vereinigung der Sportpsycholog*innen und der Vereinigung der Sportphysiotherapeut*innen. Wir bedanken uns bei allen Vertreter*innen, die sich im Rahmen dieser Runden konstruktiv und kritisch eingebracht haben. Wir möchten an dieser Stelle ausdrücklich die Arbeit der vielen engagierten Personen würdigen, die sich seit Jahren für das Thema Safe Sport einsetzen.

Anlauf gegen Gewalt wurde durch die Zuwendungen zweier Stiftungen aufgebaut, die sowohl den Aufbau als auch den Betrieb sicherstellen.

Abgrenzung zum Zentrum für Safe Sport

Anlauf gegen Gewalt begegnet dem kurzfristigen Handlungsbedarf, Betroffenen im Spitzensport eine unabhängige Anlaufstelle zur Verfügung zu stellen. Die Anlaufstelle bietet ihnen parteiische Unterstützungsleistungen, kann aber die strukturellen und systemischen Defizite im Handlungsfeld Safe Sport nicht auflösen. Sie ersetzt damit nicht den Aufbau eines unabhängigen Zentrums für Safe Sport, zu dem sich die Regierungskoalition in ihrem Koalitionsvertrag bekannt hat und für dessen Aufbau die Bundesregierung im Laufe des Jahres einen Fahrplan vorlegen will. Das Zentrum soll Aufgaben in den Bereichen Prävention, Intervention und Aufarbeitung wahrnehmen. So soll es etwa Meldungen entgegennehmen, Untersuchungen einleiten und ggf. Sanktionen aussprechen.

Fotos und weitere Materialien stehen Ihnen hier zur Verfügung.

Über die Projektpartner

N.I.N.A. e. V.

Der Verein N.I.N.A. ist eine bundesweite Fachberatungsstelle zu sexualisierter Gewalt an Mädchen und Jungen. Seit 2005 unterstützt NI.N.A. e. V. Betroffene, Angehörige und Fachkräfte telefonisch und online – unter anderem seit 2014 am Hilfe-Telefon Sexueller Missbrauch. Die Berater*innen sind pädagogisch, psychologisch und therapeutisch ausgebildet und verfügen über langjährige Erfahrung in der Unterstützung von Menschen, die Gewalt erfahren haben oder damit konfrontiert sind.

Petra Ladenburger und Martina Lörsch

Petra Ladenburger und Martina Lörsch vertreten und beraten seit vielen Jahren als Rechtsanwältinnen Betroffene von sexualisierter Gewalt inner- und außerhalb von Strafverfahren und engagieren sich in interdisziplinären Zusammenhängen gegen Gewalt.

Dr. Anne Boos

Dr. Anne Boos ist Traumatherapeutin und übernimmt die psychotherapeutische Erstberatung bei Anlauf gegen Gewalt.

Weitere Projektpartner

MentalGestärkt

MentalGestärkt ist eine Netzwerkinitiative des Psychologischen Instituts der Deutschen Sporthochschule Köln in Kooperation mit der Robert-Enke-Stiftung, der Verwaltungsberufsgenossenschaft (VBG) und der Vereinigung der Vertragsfußballspieler (VDV). Die Initiative hat zum Ziel, psychische Gesundheit im Leistungssport zu erhalten und zu fördern sowie psychische Probleme, wie beispielsweise übermäßigen Stress, Depressionen oder Burnout zu verhindern, frühzeitig zu erkennen und – wenn notwendig – Ansprechpartner* für die richtige Behandlung zu vermitteln.

Athletes in Mind

Athletes in Mind ist ein Projekt, das die mentale Gesundheit von Spitzensportler*innen un den Fokus stellen.  Die ehemaligen Schwimmerin Petra Dahlmann, die heute als Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie tätig ist und die ehemalige Kanu-Rennsportlerin Brit Wilsdorf, heute psychologische Psychotherapeutin, wollen so unkompliziert beraten und verschiedene bereits bestehende Angebote miteinander verknüpfen.