Stellungnahme zum Entwurf zum Sportfördergesetz Chancen anerkennen, Kritik ernstnehmen, Fragen klären, Potenziale heben.
1. Einleitung
Athleten Deutschland setzt sich für ein Sportsystem ein, das Athlet*innen optimale Rahmenbedingungen für ihre sportliche und persönliche Entfaltung bietet und sie als Menschen achtet. Der erneute Anlauf für eine Leistungssportreform, das geplante Sportfördergesetz und die damit in Verbindung stehende unabhängige Leistungssportagentur haben das Potenzial, zur wesentlichen Verbesserung der bestehenden Bedingungen beizutragen.[1] An dieser Einschätzung halten wir auch nach erster Prüfung des Referentenentwurfs zum Sportfördergesetz fest.
In Anerkennung seiner Chancen (s. Abschnitte 2 und 6) halten wir eine konstruktive und zielorientierte Fortführung des Reformprozesses für unabdingbar. Gleichwohl muss die Kritik des organisierten Sports sowie auch unsere ernstgenommenwerden. Die offenen Fragen müssen transparent einer eingehenden Prüfung unterzogen werden (s. Abschnitte 3, 4 und 5). Nur so können die Potenziale des Gesetzesentwurfs im weiteren Verfahren gehoben, eine konstruktive Debatte zu den besten Lösungen ermöglicht werden.
Ein Scheitern der aktuellen Reformbestrebungen würde das Vertrauen in das Spitzensportsystem und seiner Verantwortlichen zur Reform- und Innovationsfähigkeit weiter erodieren lassen, Bestrebungen zur Stärkung des Spitzensportstandorts Deutschland massiv in Zweifel ziehen.
Die Karrieren von Athlet*innen sind kurz und fragil. Sie zeigen im Trainingsalltag und im Wettkampf ein extremes Maß an Einsatz- und Opferbereitschaft. Sie dürfen daher zu Recht erwarten, dass es Verantwortlichen in Sport und Politik nach fast zehn Jahren andauernder Reformbestrebungen endlich gelingt, diese zu einem für Athlet*innen und Trainer*innen zufriedenstellenden Abschluss zu bringen und für zeitnahe Umsetzung zu sorgen.
Die im Gesetz angelegte Öffnung der Spitzensportförderung zur Aktivierung privater Gelder und die angestrebte Partizipation der Athlet*innen an den Wertschöpfungsketten des Spitzensports regen wir seit Längerem an und begrüßen wir explizit. Gleichwohl würde ein deutlicheres Bekenntnis der Politik zur langfristigen Finanzierung des Spitzensports Zukunftssorgen nehmen und Sicherheit geben.
Wir werden den Entwurf in den kommenden Wochen und Monaten einer umfassenden Analyse unterziehen und beabsichtigen, im Rahmen unserer Möglichkeiten den Entscheider*innen der Bundesregierung und des Deutschen Bundestages konstruktive und detailliertere Rückmeldung im Sinne der Rechte und Interessen der Athlet*innen zu unterbreiten.
2. Chancen des Entwurfs anerkennen und Potenziale heben
Folgende, ausgewählte Ansätze erachten wir im Grundsatz positiv bzw. anschlussfähig für Nachbesserungen im weiteren Gesetzgebungsverfahren. Sie entsprechen lang gehegten Zielen und Wünschen Athleten Deutschlands:
- Anschlussfähigkeit der Zieldebatte:2 (Förderziele) ist nach unserem Verständnis offen und damit anschlussfähig für die Ergebnisse der abzuwartenden Debatte zu den Zielen und gesellschaftlichen Funktionen der Spitzensportförderungausgestaltet.[2] Diese Zieldebatte wird derzeit von DOSB und Athleten Deutschland in partnerschaftlicher Zusammenarbeit vorbereitet.
- Schutz von Athlet*innen:3 (Fördergrundsätze) eröffnet die Möglichkeit, bindende Sorgfaltspflichten für Fördernehmer im Umgang mit Integritäts- und Menschenrechtsrisiken als Teil der Fördervoraussetzungen festzuschreiben.[3]
- Flexibilisierung der Verbandsförderung:4 (Verbändeförderung) ermöglicht eine disziplinübergreifende und mehrjährige Förderung für Verbände. Zudem wird ein Rechtsanspruch auf Zuweisung von Haushaltsmitteln, zumindest auf die für die Leistungssportagentur erforderlichen Ressourcen, verankert.
- Soziale Absicherung von Athlet*innen:5 (Athletenförderung) ist offen und damit anschlussfähig ausgestaltet, sodass die soziale und materielle Absicherung von Athlet*innen substanziell verbessert werden kann.[4]
- Individualförderung von Athlet*innen:5 (Athletenförderung) ermöglicht eine Individual-förderung von Athlet*innen in bestimmten Fall- und Förderkonstellationen.
Im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens erhoffen wir uns Schärfungen, Nachbesserungen und Erweiterungen, um die Wirkungspotenziale des Gesetzgebungsvorhabens möglichst breit auszuschöpfen. Teile des jetzigen Entwurfs bleiben vage, weisen unbestimmte Begrifflichkeiten auf, enthalten inhaltliche Inkonsistenzen oder lassen rechtssichere Definitionen für zentrale Begriffe vermissen, z.B. mit Blick auf förderungsfähige Athlet*innen, wie sie durchaus in Sportfördergesetzen im Ausland zu finden sind.
An zentralen Stellen macht der Entwurf Gebrauch von Ermessensvorschriften. Diese ermöglichen zwar Flexibilität, begründen aber auch die Gefahr, dass wichtige Unterstützungsangebote auf nachgelagerte Programme ausgelagert werden, eine gerichtliche Überprüfung der Ermessensausübung nur eingeschränkt möglich ist und Risiken für Inkohärenzen und Widersprüche durch zahlreiche Einzelregelwerke steigen.
Wichtige Themen bleiben zudem unbehandelt. Diese sind u.a.
- die Funktion von Athletenvertretung bzw. die Rechte von Athletenvertreter*innen,
- die Funktion und Förderung von Athleten Deutschland e.V.,
- ökonomische Teilhabe von Athlet*innen,
- Widerspruchslösungen sowie Beschwerde- und Rechtsschutzmechanismen
3. Zentrale Fragestellungen zur Leistungssportagentur transparent prüfen
Viele Akteure des Spitzensports, darunter Athleten Deutschland und insbesondere die Verbände, verbindet die Hoffnung, dass Entbürokratisierung sowie Flexibilisierung auf allen Ebenen des Fördersystems durch die Leistungssportagentur und die Reformierung der Spitzensportförderung ermöglicht werden. Diese Lockerungen dürften sich mittelbar positiv auf die Förderung der Athlet*innen auswirken.[5]
Der aktuelle Gesetzesentwurf (§§ 13-22) greift maßgebliche Inhalte des Feinkonzepts (S. 9 f.) auf und berücksichtigt die zeitlich nachgelagerte Kritik aus dem Deutschen Bundestag und des Bundesrechnungshofes (S. 34 ff.). Die Kritik des organisierten Sports, nach der der Entwurf den Zielstellungen der Reform entgegenstehe, sollte aus unserer Sicht unbedingt ernstgenommen werden.
Die Förderung von Athlet*innen wird weitgehend aus Mitteln der öffentlichen Hand bereitgestellt, Spitzensport so überhaupt erst ermöglicht. Ein verantwortungsvoller und gesetzestreuer Umgang mit dem Förderprivileg aus Steuergeldern ist selbstverständlich.
Bund und organisierter Sport stehen spätestens jetzt in der Verantwortung, folgende Fragestellungen einer eingehenden, rechtssicheren und transparent nachvollziehbaren Prüfung zu unterziehen. Nur so kann eine substantiierte und konstruktive Diskussion im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens ermöglicht werden:
- Welche Implikationen haben die derzeitigen Regelungen des Referentenentwurfs für die begrüßenswerten Ziele der Entbürokratisierung und Flexibilisierung bei der Förderung? Wie lässt sich diese Zielerreichung im jetzigen Entwurf weiter erhöhen, ohne das (rechtlich) erforderliche Mindestmaß an Bürokratie und Kontrolle zu unterschreiten?
- Was ist das Höchstmaß an Unabhängigkeit der Leistungssportagentur, das unter Berücksichtigung zwingender Rechtsgründe erreicht werden kann? Eint alle Beteiligten dasselbe Verständnis von Unabhängigkeit?
- Wie ist die Governance der Agentur im Binnen- und Außenverhältnis zu Dritten zu gestalten, um diese Unabhängigkeit zu wahren? Wie können Akteure des Spitzensportsystems dabei ihre Anliegen und Expertise einbringen? Wie ist effektive Athletenvertretung sicherzustellen? Wie gestaltet sich das Verhältnis der Agentur zu Akteuren des Integritätssystems, etwa der NADA oder dem künftigen Zentrum für Safe Sport?
- Für welche Frage- und Themenstellungen sind herausragende und legitime Kontroll- und Vetorechte des Zuwendungsgebers erforderlich?
- Wie lässt sich der Sorge vor „Missbrauchsszenarien“, etwa abrupte Veränderungen der Förderstrategie bei wechselnden politischen Mehrheiten, begegnen? Bedarf es z.B. einer Widerspruchslösung, mit der andere Mitglieder des Stiftungsrats die Rechtmäßigkeit der Ausübung von Vetorechten kurzfristig überprüfen lassen können?
- Wie überhaupt gestalten sich Entscheidungswege für eine nachhaltige, gesellschaftlich legitimierte und breit akzeptierte Spitzensportförderstrategie? Wie genau können die Ergebnisse der noch abzuwartenden Zieldebatte in eine solche Spitzensportförderstrategie überführt werden?
- Welche Regelungen und Modelle aus anderen Förderkontexten, etwa auf Länderebene oder in anderen Sektoren, können als Best-Practice-Beispiele dienen und sind übertragbar auf die Spitzensportförderung? Inwiefern würden diese eine Verbesserung zum aktuellen Referentenentwurf darstellen?
4. Athleten Deutschland in den Aufsichtsgremien der Agentur verankern und wirksame Athletenvertretung ermöglichen
Die Agentur soll weitreichende Entscheidungen für die Förderung und Entwicklungschancen für Athlet*innen treffen. Eine Debatte zur Rolle und zu Kompetenzen von Athletenvertretung in den Governance-Strukturen der Stiftung wurde bis heute nicht geführt, wird aber spätestens im Rahmen des nun angeschobenen Gesetzgebungsverfahren und bei der Ausgestaltung der Stiftungssatzung zu führen sein.
Wir lehnen entschieden ab, dass der DOSB über das Entsendungsrecht über die Athletenvertreter*innen im Stiftungs- und Sportfachbeirat verfügen soll (§§ 18, 20). Wie in anderen Branchen auch gilt im Spitzensport die Vereinigungsfreiheit. Athlet*innen haben das Recht, selbst zu bestimmen, von wem sie vertreten werden. Der DOSB hat sich im Rahmen seiner Menschenrechts-Policy zur Achtung der Vereinigungsfreiheit von Athlet*innen verpflichtet (S. 7) und sollte dieser Verpflichtung nachkommen.
Athleten Deutschland wurde vor über fünf Jahren von mehreren Dutzend Athletenvertreter*innen gegründet, um eine übergeordnete, professionelle, unabhängige und legitimierte Athletenvertretung außerhalb der Verbandsstrukturen zu ermöglichen.
Das im Gesetz verankerte Entsendungs- und Einladungsrecht des DOSB[6] zur Gewährleistung von Athletenvertretung in beiden Aufsichtsgremien kompromittiert faktisch das Prinzip unabhängiger Athletenvertretung und macht Athletenvertreter*innen abhängig vom guten Willen des DOSB. Mehr noch: Es konterkariert die Förderpraxis des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung zur Unterstützung unabhängiger Athletenvertretung in Form Athleten Deutschlands, die mittlerweile weltweiten Vorbildcharakter genießt.
Es ist deshalb zwingend erforderlich, dass Athleten Deutschland e.V. explizit als unabhängige, legitimierte und professionelle Athletenvertretung in den vorgesehenen Aufsichtsstrukturen auf Augenhöhe verankert und in diesem Kontext auf die Nennung allgemeiner Begriffe wie „Athletenvertretung“ im Gesetzesentwurf verzichtet wird.[7]
5. Ausgestaltung von Aufsichtsgremien neu aufrollen und kriteriengeleitet diskutieren
Wir rufen in Erinnerung, dass das derzeit vorgesehene Governance-Modell der Agentur in einer bilateralen und unzugänglichen Nebenverhandlung zwischen DOSB und Bund konsentiert wurde. Athleten Deutschland äußerte unmittelbar nach Bekanntwerden dieser Vorschläge bereits im September sowie öffentlich im Dezember (S. 3-5) Zweifel an der Gewährleistung der Unabhängigkeit der Agentur, solang ihre Auf- und Ablauforganisation samt Kompetenzen der vorgesehenen Gremien nicht beschrieben sind.
Ein kriteriengeleiteter Analyseprozess zur Bewertung einer optimalen Ausgestaltung und Besetzung der Aufsichtsgremienunterblieb bis heute. Dieser sollte dringend nachgeholt, die Ausgestaltung der Aufsichtsgremien neu aufgerollt werden.
Laut Referentenentwurf (S. 16) sollen in der Leistungssportagentur sportfachliche „Expertise und die rechtssichere und auf potenzial- und erfolgsorientierten Grundsätzen basierende Abwicklung des Förderverfahrens […] zukünftig in einer Hand liegen“. § 19 Abs. 5 führt ferner aus: „Die Mitglieder des Vorstands treffen ihre Entscheidungen im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten eigenständig und fachlich unabhängig.“
Da das hauptamtliche Personal der Leistungssportagentur über (sport-)fachliche Expertise verfügen soll und auch Entscheidungen des kontrollierenden Stiftungsrats vorbereiten wird, bezweifeln wir die Zweckmäßigkeit des vorgesehenen Sportfachbeirats. Dessen Kompetenzen sind bis heute nicht definiert und sollen erst nachgelagert über die noch zu führende Satzungsdiskussion festgelegt werden.
Dabei bleibt auch ungeklärt, ob und wie die Tätigkeit des Sportfachbeirats, der den Stiftungsrat bei der Planung und Durchführung seiner Aufgaben beraten soll (§ 20 Abs. 5), die unabhängige Aufgabenwahrnehmung des Vorstands kompromittieren könnte. Schließlich sollen die Mitglieder des Stiftungsrats und des Sportfachbeirats von denselben Institutionen und Anspruchsgruppen kontrolliert werden.
Der Sportfachbeirat dient im derzeitigen Entwurf nicht der ausschließlichen Nutzbarmachung fachlicher Expertise, sondern vielmehr der Repräsentation und Einflussnahme von Stakeholdern, wie es bereits im Stiftungsrat unter anderen Mehrheitsverhältnissen vorgesehen ist. Zu dieser Einschätzung kommt auch der Referentenentwurf, nach dem „im Sportfachbeirat überwiegend Interessenvertreter des organisierten Sports vertreten“ seien (S. 50).
Wird hingegen das Ziel verfolgt, dem Vorstand und/oder dem Stiftungsrat unabhängige Fachexpertise in einem oder mehreren Gremien an die Seite zu stellen – wie es etwa beim Kommissionsmodell der NADA zur Anwendung kommt – so sollten aus unserer Sicht bewährte Findungsverfahren zur Rekrutierung unabhängiger Experten*innen Anwendung finden.
Wie Stakeholder, darunter auch Athlet*innen in Form von Athletenvertretung oder Fördernehmer wie Verbände, ihre legitimen Anliegen sowie ihre spezifische Expertise gegenüber den Entscheider*innen der Agentur vor- und einbringen können, ohne deren Unabhängigkeit zu gefährden, bleibt aus unserer Sicht derzeit ungeklärt.
6. Nationale Spitzensportstrategie für Deutschland aus Gesetz ableiten
Das Gesetz wird sein Wirkungspotenzial nur dann voll entfalten können, wenn die derzeitigen Reformstränge der Spitzensportpolitik (u.a. Spitzensportreform und Leistungssportagentur, Zentrum für Safe Sport, Nationale Strategie Sportgroßveranstaltungen, Olympiabewerbung, Zieldebatte) derart zusammengeführt werden, dass sie als „Puzzlestücke“ anschlussfähig in eine rahmende und kohärente „Nationale Spitzensportstrategie für Deutschland“ überführt werden können.
Nur mit einer solchen „Theorie des Wandels“ und einer korrespondierenden Strategie können die im Gesetz angenommenen und erwünschten Zusammenhänge (§§ 1-2, u.a. Repräsentations-, Identifikations- und Wertevermittlung, Wirtschafts- und Standortfaktor) zwischen Spitzensportförderung und ihrer Wirkung – ihrem Mehrwert – gehoben werden, und zwar für Sport, Staat, Gesellschaft und nicht zuletzt für die Athlet*innen.
[1] Athleten Deutschland war in die Arbeits- und Aushandlungsformate des Prozesses zur Erarbeitung des Feinkonzepts der Spitzensportreform seit Beginn des Jahres intensiv involviert. Die von uns vorgebrachten Themen, Probleme und Herausforderungen fanden im Prozess weitgehend Gehör. Eine Vielzahl unserer Positionen ist Gegenstand der Reformbemühungen, die mit dem Jahreswechsel in die Umsetzungsphase eingetreten sind. Weite Phasen des bisherigen, intensiven Arbeitsprozesses waren von gegenseitiger Offenheit, konstruktivem Miteinander und hoher Motivation der Beteiligten seitens des Bundes, der Länder und der Akteure des Sportsystems geprägt.
[2] Nach Durchführung der Zieldebatte werden sinnvolle Anpassungen und Konkretisierungen des § 2 notwendig sein, nicht zuletzt, um sicherzustellen, dass die umfassenden Ziele auch effektiv erreicht werden können. Hierzu ist es unerlässlich, dass die weiteren Vorschriften auch konkret dazu geeignet sind, die Ziele zu fördern.
[3] Im weiteren Verfahren werden notwendige Konkretisierungen vorzunehmen sein, etwa, indem zentrale Voraussetzungen und Begriffe definiert und grundsätzliche Verpflichtungen von Fördernehmern zur Umsetzung von Integritäts- und Menschenrechtsstrategien eingeführt werden.
[4] Im weiteren Verfahren könnte u.a. neben einer grundlegenden Begriffsdefinition der fördernden Athlet*innen auch deren Rechtsstellung zur Schließung von Schutzlücken festgelegt werden.
[5] Klar ist allerdings (S. 6 f.): In Anbetracht der heterogenen Verbandsqualität müssen diese Lockerungsmaßnahmen zwingend mit einem wirksamen und datengetriebenen Controlling sowie Sicherungsmechanismen einhergehen. Einseitige Entbürokratisierung und Flexibilisierung eröffnen Handlungsspielräume und neue Machtpositionen für Verbände, die missbraucht und/oder die aufgrund fehlender Fähigkeiten oder unzureichender Governance ungenutzt bzw. fehlgenutzt werden können.
[6] Der DOSB als Dachorganisation des „organisierten Sports“ kann nur einen Vertretungsanspruch für seine mittelbaren und unmittelbaren Mitgliedsorganisationen gegenüber Dritten ableiten, etwa staatlichen Akteuren, nicht aber im Namen und für weitere relevante Akteure und Anspruchsgruppen des Spitzensportsystems. Hierzu gehören u.a. auch die Trainerinnen und Trainer oder die Stiftung Deutsche Sporthilfe, die wie Verbände selbst Empfängerin öffentlicher Gelder ist.
[7] Dass das Thema Athletenvertretung bei der Besetzung der beiden Aufsichtsgremien explizite Nennung im Feinkonzept und nun im Gesetzestext erfährt, ist auf eine Intervention Athleten Deutschlands nach der o.g. bilateralen Aushandlung zum Governance-Modell der Agentur zurückzuführen. Der Erstentwurf sah keine explizite Nennung von Athlet*innen bzw. Athletenvertreter*innen vor. Auch die aktuelle Vorgabe wurde erneut ohne Einbeziehung von Athleten Deutschland als Dachorganisation von Athlet*innen und Athletenvertreter*innen festgeschrieben.